Bürger für Heidelberg: Patrick Henry Village zu urbanem Stadtteil entwickeln

Die ehemalige Wohnsiedlung der US-Army, Patrick Henry Village, soll zu einem neuen urbanen Stadtteil mit Vorbildcharakter entwickelt werdem. Urbanität, soziale Vielfalt, moderne Architektur und ökologisches Bauen sollen diesen neuen Stadtteil auszeichnen.  [Bild:Stadt Heidelberg]

Aus einer Siedlung, die einer amerikanischen Vorstadt teilweise ähnelt und durch großzügige Flächennutzung auffällt, soll ein urbaner Stadtteil mit einem ökologischen Konzept werden. Dabei wollen wir, dass die 100 ha genutzt werden, um eine deutliche Erhöhung des Angebots an bezahlbaren Wohnraum in Heidelberg zu erreichen. Gleichzeitig soll als ebenbürtiges Ziel die Öko-Bilanz des Areals messbar verbessert werden. Deshalb soll so gebaut werden, dass die Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner deutlich erhöht wird und dass gleichzeitig innovative technische und bauliche Lösungen angewandt werden, um die Öko-Bilanz des Areals gegenüber 2012 zu steigern.

Die Öko-Infrastruktur des Stadtteils soll nach Möglichkeit kontinuierlich die Öko-Bilanz messbar verbessern. Damit soll die Gartenstadt ein Beispiel für urbane Nachhaltigkeit werden. Wir haben ein Verständnis von Urbanität, die Natur in die Stadt zu holen, Wohnbebauung räumlich effizient zu gestaltet und bei Energiegewinnung und Verbrauch den Klimawandel ernst zu nehmen. Es geht uns um eine „smarte Gartenstadt“, klimaneutral und sozial (ein bezahlbarer Nullemissionsstadtteil).

Rechtliche Instrumente zur Umsetzung und Sicherung der Planungsziele, (Kaufverträge, Möglichkeiten der Erbpacht und vorhabenbezogene Bebauungspläne) werden in diesem Papier nicht dargestellt, sondern zu einem späteren Zeitpunkt untersucht.

Unsere Vorschläge:

1. a) Die Einzel-und Doppelhäuser im Norden der Gartenstadt (ehm. PHV) bleiben mit dem Baumbestand erhalten und werden nicht in eine gewerbliche Nutzung umgewandelt.

b) Die Stadt verkauft diese Häuser (-Hälften) im Norden jeweils an einzelne Familien mit mindestens einem Kind unter 15 Jahren zu modifizierten Marktpreisen. Der Endpreis wird nach einem „Familienschlüssel“ individuell bestimmt: jedes Kind unter 15 Jahren entspricht einem vom Gemeinderat zu bestimmenden Abzug vom Kaufpreis.

c) Bei Einräumung eines Vorkaufrechts der Stadt bis 2050 gibt es einen weiteren festgelegten Abzug vom Marktpreis. Das Vorkaufsrecht soll sicherstellen, dass dieses Wohngebiet seinen familienfreundlichen Charakter beibehält. Der Umfang von Umbauten und Anbauten wird vertraglich beim Verkauf geregelt, um den Charakter des Wohngebiets zu bewahren.

2. Der Verkauf der anderen bestehenden Gebäude und der neuen Bauplätze (also unter Ausklammerung der Familienhäuser im Norden) dient zu 40 Prozent bezahlbares Wohnen. Die Käufer werden verpflichtet, die nächsten 30 Jahre entsprechend der Mietstaffeln im Mark Twain Village zu vermieten. Zusätzliche 10 Prozent der geplanten Wohnfläche sollen für Mehrgenerationenhäuser an etablierte Sozialorganisationen (Caritas, Diakonie, AWO etc.) oder Genossenschaften verkauft werden. Die Vielfalt des Bauens und die soziale Vielfalt der Stadtgesellschaft soll durch eine große Anzahl unterschiedlicher „Bauherren“ bewusst gefördert werden. Die Einförmigkeit neuer Baugebiete, architektonisch und sozial, gilt es bewusst entgegen zu wirken. In der heutigen Gesellschaft ist die Vielfalt das Moderne. Das wollen wir auch in der Architektur und sozialen Zusammensetzung der Gartenstadt reflektiert sehen. Heidelberg sollte für die Gartenstadt selbstbewusst in ihren Erwartungen an Bauherren und Architekten sein.

3. Es wird angestrebt, in Kooperation mit (größeren) Firmen, die im Umkreis von 80 km sitzen, Werkswohnungen zu bauen. 4. Die Dächer sämtlicher Gebäude sollen nach den technischen Möglichkeiten entweder mit Solaranlage oder/und Dachbegrünung/Dachgarten gestaltet werden.

5. Eine offensive Förderung der Fassadenbegrünung von Gewerbebauten und Wohnhäusern soll auch diese Gebäudeflächen ökologisch nutzbar machen.

6. Ein Streifen mit Obstbaum-Bepflanzung entlang der gesamten Westseite zur Landwirtschaft hin soll von der Stadt eingerichtet werden und kann später verpachtet werden. Wir schlagen vor, das über den Stadtteil verstreut, es Kleingärten für Anwohner gibt.

7. a) Ein Reservegelände für zukünftiges Bauen im Umfang von etwa 5-10 ha wird in der unbebauten Südwestecke für eine Solarfläche gebildet. Sie wird für 30 Jahre für diesen Zweck  verpachtet. Es wäre zu prüfen, ob es wirtschaftlich sinnvoll wäre, für die Gartenstadt eine Solar-Genossenschaft unter Beteiligung der Bewohner und Firmen im Stadtteil zu gründen, die alle Solaranlagen einschließt. Damit könnte ein stadtteilbezogener „Strommarkt“ entstehen. Wenn Solaranlagen konsequent aufgestellt werden, dürfte sich modernste Speichertechnik wirtschaftlich lohnen oder sich als Model in Partnerschaft mit einer führenden Firma entwickeln lassen. Die neue gesetzliche Förderung des „Mieterstroms“ mit einem finanziellen Zuschlag nach dem neuen Gesetz vom Juli 2017 soll konsequent ausgeschöpft werden. Dazu könnte eine Solar-Genossenschaft dienen, die für die Metropolregion  Vorbildcharakter haben könnte.

b) Bei der Sanierung bzw. beim Bau größerer Wohngebäuden sind die technischen Möglichkeiten einer Nutzung von Regenwasser und Wiederaufbereitung von Nutzwasser zu fördern. Die Aufarbeitung und Verwertung des Bio-Mülls im neuen Stadtteil ist nach wirtschaftlichen und energetischen Kriterien zu prüfen. Dies könnte in Zusammenarbeit mit dem Weizman Institut in unserer Partnerstadt Rehovot geschehen (Israel ist weltweit führend in der Wiederaufbereitung von Nutzwasser). In Frankfurt wird bei neuen Wohngebieten mit einem Nutzwasserkonzept geplant.

8. In der Planung werden Gewerbebauten auf bestimmte Bereiche begrenzt: das bisherige Gelände des Einkaufzentrums einschließlich der Parkplätze (Südost-Ecke) und im Bereich Konferenzzentrum sowie entlang eines 100 m Streifens an der Autobahnmauer südlich bis zum östlichen Eingang, der aktuell benutzt wird. Gewerbebauten sollten die Autobahnmauer um 1-2 Stockwerke überragen und auf dieser Seite eine Fassadenbegrünung tragen. Heidelberg könnte sich entlang der Lärmschutzwand zur Autobahn dem Stuttgarter Modell der Nutzung von Mooswänden zur Luftfilterung von Feinstaub anschließen. Die Einfahrt zum Gewerbegebiet ist auf den südlichen Eingang beschränkt. In diesem Bereich könnte auch, also in Autobahnnähe, eine Elektro-Tankstelle eingerichtet werden. 

9. In der Planung soll die Möglichkeit eingeräumt werden, drei moderne Wohntürme – bis 10 Stockwerke hoch – zu bauen. Für diese Wohntürme sind Dachgärten und Fassadenbegrünung und ein interner Wasserkreislauf vorzuschreiben. Dabei kann durchaus experimentell über den derzeitigen Stand der Technik hinausgegangen werden, um als Vorbild für größere Metropolen zu dienen. Diese Wohntürme sollen nicht „Wohlstandssilos“ sein, sondern auch hier ist ein Drittel der Wohnungen (nicht der Wohnflächen) als bezahlbares Wohnen zu integrieren.

10. Die Verkehrserschließung durch den öffentlichen Nahverkehr mit einer direkten Anbindung an die Straßenbahn nach Kirchheim wird zu Anfang durch Busse geschehen müssen, da bisher noch nicht mit der Planung einer Straßenbahn begonnen worden ist. Diese Busse sollen dann im Pendelverkehr nach Kirchheim und zusätzlich morgens und abends direkt (non-stop) zum Bahnhof Heidelberg eingesetzt werden. In Kooperation mit den Firmen, die Werkswohnungen bauen, könnte ein Kleinbusverkehr zum Arbeitsplatz ermöglicht werden. Die Busse sollten nach den technischen Möglichkeiten mit Gas oder Elektro angetrieben werden. Es ist zu prüfen, ob die Bewohnerinnen und Bewohner der Gartenstadt Mitglied einer Busgenossenschaft mit der RNV für diesen Busverkehr werden können (z.B. könnte eine verbilligte Jahreskarte die Dividende sein).

11. Das bisherige sehr große Wohngebiet Patrick Henry Village trägt den Namen eines herausragenden Agitators und Politikers der amerikanischen Revolution, von dem der Ausruf »Give me liberty or give me death« stammt und der deshalb in jedem US Schulbuch zur Revolutionsgeschichte als Vorbild genannt wird. Wir schlagen dennoch vor, seinen Namen nicht weiter zu verwenden. Er spielte nach der Erlangung der Unabhängigkeit in der Verfassungsgebenden Versammlung von 1788 eine sehr unrühmliche Rolle: Patrick Henry war Sklavenbesitzer und zusammen mit Familienmitgliedern Eigner einer vierzig Quadratkilometer großen Plantage in Virginia. Als über die US-Verfassung abgestimmt wurde, stimmte er mit Nein und versuchte vehement, die Zustimmung des Bundesstaates Virginia zur Verfassung zu verhindern. Nach seiner Meinung war die Sklaverei nicht deutlich genug in der Verfassung geschützt, und er befürchtete, dass der Norden sie durch die US-Bundesregierung abschaffen könnte. Die Bürger für Heidelberg e.V. schlagen seit 2010 den Namen Gartenstadt für diesen neuen Stadtteil vor. Wegen der Größe und Geschlossenheit plädieren wir dafür, dass dieses Areal als neuen Stadtteil mit eigenen Bezirksbeirat etabliert wird.

19.10.2017 - 13:45