Aktionsbündnis Waldwende HD: Aufruf an den Gemeinderat

23.3.2020   Am 30. März wird Volker Ziesling, Diplom-Forstwirt und Ansprechpartner der Greenpeace-Waldgruppe Mannheim-Heidelberg, beim Umwelt-Ausschuss Ihre Fragen zur Waldbewirtschaftung beantworten. Artensterben und Erderhitzung gefährden den Fortbestand der Menschheit auf unsererem Planeten und Wald ist einer der Schlüssel für die Lösung dieser beiden Probleme.
Der Wald in Deutschland ist in den nächsten 20 bis 30 Jahren der effizienteste und billigste Zusatz-Kohlenstoffspeicher, den wir haben,und verschafft uns einen Zeitjoker, damit wir noch rechtzeitig auf Erneuerbare Energien umsteigen können. Die Stadt Heidelberg hat zu Recht den Klimanotstand ausgerufen, und dem müssen jetzt Taten folgen, auch in der Frage, wie der Heidelberger Stadtwald in Zukunft bewirtschaftet wird. 
Unsere Betrachtung des Waldes als Gesamtökosytem orientiert sich unter anderem an den Thesen und Erfahrungen von Lutz Fähser (Lübecker Stadtwald) und Prof. Dr. Pierre Ibisch (Direktor Centre for Econics and Ecosystem Management an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung). Das Forstamt orientiert sich an der sogenannten multifunktionalen Forstwirtschaft, die jedoch in ihrem Kern zu sehr am ökonomischen Leitgedanken und auf Holzproduktion ausgerichtet ist.

Das Verständnis unserer Bürgerinitiative zu den Fällungen im Mühltalwald war es, dass in den beiden Nadelholzbeständen (i6, k6, i9) tatsächlich nur Nadelhölzer entnommen werden. Damit hatten wir uns einverstanden erklärt. Denn diese sind nicht standortgemäß und haben im Klimawandel schlechte Überlebenschancen. Damit war im Gegenzug klar war, dass keine Laubbäume gefällt werden sollten außer einige wenige, die der anzulegenden Seilbahntrasse im Weg seien.

Der Bestand h9 - anscheinend gleichzusetzen mit b9, was wir erst bei der erneuten Begehung mit dem Forstamt im Dezember erfuhren - wurde im Protokoll von Herrn Friederich vom 29.10.2021 ausgelassen (siehe Anhang "Ergebnisprotokoll_Waldbegang_2021-10-29"). Einen kleinen Eindruck vom jetzigen Zustand dieses Bereichs zeigt das Foto "Faellungen_1" im Anhang. Auch die Karte der Durchforstungsmaßnahmen haben wir erst verspätet im November erhalten, als die Fällarbeiten bereits begonnen hatten (siehe Anhang "Karte_Durchforstungsmaßnahmen").

Als wir die ab Ende November stattfindenden Fällungen verfolgten, mussten wir feststellen, dass diese nicht dem uns vom Forstamt vermittelten Eindruck entsprachen. Im Zuge dessen fand die erneute Begehung zur Klärung mit dem Forstamt am 10.12.2021 statt. Es kam jedoch zu keiner eindeutigen Klärung der Sachlage mit dem Forstamt, woraufhin wir uns entschieden, das von uns entwickelte Beteiligungsprojekt nicht mit dem Forstamt durchzuführen.

Die Bestände b7 und b10 sind tatsächlich nicht durchforstet worden und dies empfinden wir auch als positiv. Wir würden jedoch in unserer Glaubwürdigkeit gegenüber unseren Unterstützern einbüßen, wenn wir das Beteiligungsprojekt trotz der in viel größerem Maße stattgefundenen Durchforstungsmaßnahmen umsetzen würden.

Entgegen der Aussage in der Informationsvorlage zu den Waldpflegearbeiten im Mühltal entspricht es nicht der Wahrheit, dass Vertreter der Bürgerinitiative am Beteiligungsprojekt teilnehmen (siehe "Informationsvorlage_Waldarbeiten_Muehltal"). Bei den damit gemeinten Leuten handelt es sich um Teilnehmer an den Waldbegehungen, die vollkommen unabhängig von der Bürgerinitiative sind.

Die Bürgerinitiative hat eine Pressemitteilung zu ihrem erklärten Verzicht auf das Beteiligungsprojekt verfasst, die am 26.01.2022 auf der Website (www.waldwende-heidelberg.de) veröffentlicht wurde und auch an die regionale Presse geschickt wurde (siehe "PM_Buergerbeteiligungsprojekt").

Zu der Beschlussvorlage zum Forstwirtschaftsplan 2022 wollen wir nur kurz auf Produktbereich 1 "Waldpflege, Holznutzung, CO2-Bindung" eingehen:
Die Mehrheit der Holzprodukte verlängert die Kohlenstoffspeicherung keineswegs. Durch Transport und Verarbeitung wird CO2 frei, zudem sind die wenigsten Holzprodukte nachhaltig. Ein Großteil wird zu Papier, Verpackungsmaterial und Zellstoff verarbeitet, der nach wenigen Wochen dem Müll zugeführt wird. Ein anderer Teil wird als Brennholz genutzt, nur ein geringer Teil geht in die Möbel- und Bauholzindustrie. Dabei ist ferner zu bedenken, dass selbst Möbel in heutigen Zeiten keine lange Nutzungsdauer mehr haben.

Situationsabhängig ist die Substition von anderen Werkstoffen mit Holzprodukten natürlich vorzuziehen. Es ist jedoch falsch, dies als Klimaschutzaspekt darzustellen, wenn wir auf intakte Wälder im Zuge des Klimawandels in der wärmsten Region Deutschlands zählen müssen. Das Werkstoffproblem kann nicht von der Forstwirtschaft allein gelöst werden, sondern nur, wenn alle beteiligten Wirtschaftsbereiche an einem Strang ziehen.

Zugebenermaßen eine Mammutaufgabe für den Gemeinderat, aber genau dieses interdisziplinäre Denken und Handeln erwarte ich von den politischen Vertretern der Stadt, wenn wir auch noch in Zukunft auf diesem Planeten existieren wollen.

 
Falls Sie am Umweltausschuss teilnehmen, wäre es gut, wenn Sie sich vorher Fragen an Herrn Ziesling überlegen würden. Hier ein paar Vorschläge: 
* Wie können wir die Kohlenstoffspeicherung im Wald erhöhen?
* Warum wird der Heidelberger Stadtwald nicht nach "Naturland" zertifiziert?
* Was muss getan werden, um die Biodiversität im Wald zu verbessern?
* Stimmt es, dass im Amazonas, in rumänischen Urwäldern und anderswo mehr Wald vernichtet wird, wenn wir im Heidelberger Stadtwald weniger Bäume fällen?
* Welche Funktion hat der Wald im Wasserhaushalt?
* Haben Buchen überhaupt noch eine Chance im Klimawandel?
* Muss Wald wirklich "gepflegt" werden, um klimaresilient zu werden?
* Ist es klimafreundlich, Holz als Kohlenstoffspeicher zu betrachten?
23.03.2022 - 17:45