Heidelberg in Bewegung (HiB): Wir wollen den Bürgerentscheid gewinnen!

25.12.2020    Als ihr politischer Instinkt die Fraktion der Grünen im Juni 2020 mal verließ und sie für die Öffentlichkeit überraschend mit den Konservativen für ein Ankunftszentrum in den Wolfsgärten anstatt im PHV stimmte, hoffte sie, dass der Protest der Bürger:innen und Initiativen dagegen über die Sommermonate abflauen würde. Umso überraschter war sie, dass dieser politische Trick auf Zeit zu spielen nicht klappte: 

Der Widerstand hat sich über die Sommerpause eher verstärkt, weil die eigenen Parteimitglieder und Wähler:innen sich von dieser "ungrünen" Entscheidung verraten fühlten.

Bürger:innen organisierten sich im Sommer unter dem Namen BAFF (Bündnis für Ankunftszentrum, Flüchtlinge und Flächenerhalt Heidelberg), um mit einem Bürger:innenbegehren mit anschließendem Bürger:innenentscheid diese unweltpolitisch und integrationspolitisch schlechte Entscheidung umzukippen. Die statistische Wahrscheinlichkeit, dass ein solcher Kraftakt Bürger:innen gelingt, liegt bei geringen10%. Grund dafür ist, dass man in Deutschland seit der Weimarer Zeit dem Volk misstraut und deshalb hohe Hürden für die direkte Demokratie (Bürger:innenbegehren,-entscheide)  geschaffen hat. Anders als bei der letzten Oberbürgermeisterwahl in Heidelberg genügt nicht nur die Mehrheit, sondern es müssen auch mindestens 20% der Wahlberechtigten beim Bürgerentscheid mitstimmen.

Trotz dieses Nachteils startete BAFF das Bürger:innenbegehren gegen Standort Wolfsgärten. Mit  Kreativität und voller Überzeugung, für das richtige zu kämpfen, nach dem Motto "wir haben keine Chance gegen die Grünen, die Konservativen und die Stadtverwaltung, aber wir nutzen sie", übersprang sie spielend die erste Hürde und sammelte fast 10.000 Stimmen der Wahlberechtigten im Bürger:innenbergehren. Die Stadt war BAFF und es entwickelte sich ein Polit-Krimi: 

BAFF hoffte, dass der Bürger:innenbescheid zusammen mit der Landtagswahl  am 14.03.2021 stattfinden würde, weil dann mehr als 20% Wähler:innen mitmachen würden und so eine wichtige Hürde für den Erfolg entfiele.  Den Braten roch die Stadtverwaltung und schlug einen möglichst ungünstigen Wahltermin vor, nämlich in den Osterferien vor, in der Annahme, dass viele Urlaubende nicht abstimmen würden.

Nun kam es darauf an, wie die Grünen-Fraktion reagieren würde. Würde sie das Bürger:innenbegehren als starkes direktdemokratisches Zeichen inhaltlich akzeptieren und einen Bürgerentscheid unnötig machen? Diese befand sich in einer verzwickten Lage: ihre Wähler:innen, ihre Partei und ihre Fraktion waren gespalten, weil die Entscheidung für die Wolfsgärten, gegen PHV und Bürger:innenbegehren umweltpolitisch, integrationspolitisch und basisdemokratisch "ungrün" und unhaltbar war. Deswegen drohte den Grünen als Regierungspartei in ihrer Hochburg Heidelberg bei der Landtagswahl eine peinliche Niederlage. Daran wäre die Fraktion schuld gewesen. Um sich aus dieser Lage zu befreien und die eigene Spaltung zu überdecken, griff sie geschickt wieder in die politische Trickkiste und versuchte die Spaltung in die Reihen von BAFF zu bringen. Sie machte ein vergiftetes Friedensangebot: anstatt eines für BAFF kostspieligen und ungewissen Bürger:innenentscheids während der Osterferien, ein Bisschen Frieden, ein neues Beteiligungskonzept und eine ergebnisoffene Entscheidung im Herbst 2021, also weit nach der Landtagswahl. Die Spaltung innerhalb BAFFs sollte dadurch gestärkt werden, dass die BAFF unterstützenden Stadträt:innen ("Bündnisfraktionen") nicht wie sonst üblich das Angebot interfraktionell mitbekämen, sondern erst kurz vor der Abstimmung am 17.12.2020 im Gemeinderat. So kurzfristig, dass innerhalb von BAFF keine Einigkeit über dem Umgang mit dem Angebot hergestellt werden konnte. 

Tatsächlich ist es der Grünen-Fraktion damit gut gelungen, Staub aufzuwirbeln, dadurch kurzfristig von den eigenen Problemen abzulenken, Verwirrung in die BAFF-Reihen zu tragen und dessen Schwung des erfolgreichen Bürger:innenbegehrens abzubremsen. Das ist ihr Etappensieg, aber alles andere als nachhaltig:  nachdem sich der Staub gelegt hat, wird sich BAFF auf sein ursprüngliche Ziel besinnen, nämlich den Bürger:innenentscheid zu gewinnen. Fast 10.000 Menschen haben voller Hoffnung gegen die Flächenversiegelung in den Wolfsgärten und für ein Ankunftszentrum mit Willkommenskultur im PHV unterschrieben. Das sind und bleiben immer noch die richtigen Ziele. 

Für HiB ist es klar: wir wollten wie 10.000 Heidelberger:innen auch den Bürger:innenentscheid und er wird am 11.4.2021 kommen. Wir möchten ihn auch gewinnen. Wir sind damit näher an der DNA der Grünen als diese selbst, nämlich für Umwelt und Klima, für humane Integrationspolitik und Basisdemokratie. Deshalb volle Kraft voraus zum Bürger:innenentscheid! Wir schaffen das.

Mit freundlichen Grüßen,
Waseem Butt 

 

25.12.2020 - 13:15