KONTEXT: Eine Stadt atmet schwer
16.12.2020 Mario Damolin In Heidelberg nimmt die Auseinandersetzung um das landesweite Ankunftszentrum für Flüchtlinge immer seltsamere Züge an. Im Zentrum der politischen Rochaden: die Grünen. ... Der Entscheidungsprozess bis heute ist kurzgefasst so abgelaufen: Die Stadt erklärt sich bereit, auf ihrem Territorium ein zentrales Ankunftszentrum für Flüchtlinge zu platzieren.
[Patrick-Henry-Village am Stadtrand. Foto: Wikimedia.org, CC BY-SA 3.0, Link ]
Als vorübergehende Lösung wird ab 2015 ein Teil der ehemaligen amerikanischen Militär-Wohnsiedlung Patrick-Henry-Village (PHV) außerhalb der Stadt bereitgestellt.
Die Grünen, mit einem Drittel der Gemeinderatssitze, haben erst einmal nichts gegen diese Lösung und in ihrem Wahlprogramm für die Kommunalwahl 2019 auch ausdrücklich formuliert, dass andere inzwischen im Gespräch befindliche Flächen, etwa die Wolfsgärten, absolut nicht geeignet sind.
Dumm nur: Jetzt grätscht Innenminister Thomas Strobl dazwischen und erklärt 2018 eben diese Wolfsgärten zur am besten geeigneten Variante. Stadt, Oberbürgermeister Würzner und Parteien sind irritiert, die Grünen verlauten, man solle das Ankunftszentrum erst einmal im PHV belassen. Allerdings hat die Internationale Bauausstellung (IBA) zusammen mit der Stadt für das 100 Hektar große PHV-Areal eine "Stadt der Zukunft" mit 10.000 Einwohnern und 5.000 Arbeitsplätzen geplant. Ein Renommierprojekt für OB Eckart Würzner und IBA-Chef Michael Braum, sozusagen ein Denkmal für die Zukunft.
Ein geplanter Grundsatzbeschluss des Gemeinderats pro Wolfsgärten wird nach Gegenwehr vom Dezember 2018 ins nächste Jahr verschoben. Forderung: Das Land solle mehr Information zum Thema zur Verfügung stellen, etwa zum Ersatz der versiegelten Flächen im Falle der Wolfsgärten-Lösung.
Danach überschlagen sich wechselnde neue Vorschläge bis ins Jahr 2020. Die ganze Stadt staunt. Eine auf Juni 2020 anberaumte Gemeinderatssitzung beschließt mit knapper Mehrheit und mit den Stimmen der Grünen die Wolfsgärten als neues Areal für das neu zu bauende Ankunftszentrum – vorausgesetzt die Einrichtung sei pandemietauglich und "vorbildlich" in seiner sozialen Infrastruktur. Außerdem, so die Grünen, müsse das PHV "als neuer Stadtteil" entwickelt werden und ein Ankunftszentrum dort stehe dieser Entwicklung entgegen. Integration sei in einer solchen Einrichtung ja sowieso nicht möglich. Arnulf Weiler-Lorentz, langjähriger Stadtrat der Bunten Linken dazu: "Die Grünen hätten eigentlich schon vorher wissen müssen, dass die Wolfsgärten als Standort nicht geeignet sind."
Jetzt haben manche Bürger die Faxen dicke. Sie gründen eine Bürgerinitiative namens BAFF-PHV (Bündnis für Ankunftszentrum, Flüchtlinge und Flächenerhalt – PHV) und kündigen die Planung eines Bürgerentscheids über den Verbleib des Ankunftszentrums im PHV an. Unter den dann gesammelten rund 11.000 Befürwortern gehört ein nicht unerheblicher Teil zu den Grünen-Wählern. Sie bringen ihre Partei heftig in die Bredouille.