Villa Braunbehrens: Irritierender Poker um eine marode Villa

Gastkommentar
8.5.2020 Herbert W. Rabl (HR)

Was für eine magische Faszination Sehnsuchtsort ausüben, verwundert bisweilen. Da steht auf dem Kohlhof die alte und inzwischen nahezu als marode geltende Villa Braunberens, ein Immobilie, die schon seit ihrem Bau im Jahre 1914 drei Dinge magisch angezogen hat: lebensfrohe Heidelbergerinnen und Heidelberger, interessante, spleenige Persönlichkeiten und besonders Geld. Letzteres wurde von dem historistischen Bau und dem hier stattfindenden Leben vor allem verschlungen, weniger angesammelt. Eine wirtschaftliche Unternehmung ohne großzügige Sponsoren im Hintergrund schien sich mit der Villa nicht zu vertragen. Zuletzt verwohnte der egozentrierte Bildhauer Horstmann-Czech das inzwischen aus stadtkulturellen Gründen ins Eigentum der Stadt Heidelberg übergegangene Anwesen.

Diesem Spuk wollte OB Würzner ein Ende machen hatte die Idee, den alten Kasten als Gästehaus einem der großen Heidelberger Forschungseinrichtungen anzudienen. Doch die GRÜNE Fraktion hatte andere Pläne und durchkreuzte diese OB-Idee mit einer Konzeptausschreibung, die im Gemeinderat eine Mehrheit fand. Immerhin hatte die Stadtverwaltung in die Ausschreibung reingeschrieben, dass jedwedes Konzept auf soliden finanziellen Füßen stehen müsse.

Interessanterweise beteiligten sich größere wissenschaftliche Einrichtungen nicht an der Ausschreibung. Für sie wäre die Villa wohl nur interessant gewesen, wenn die laufenden Kosten niedrig gerechnet worden wären. Zwei Heidelberger Initiativen bemühten sich indessen trotz 1.600 € Erbpachtzins pro Monat und mutmaßlich siebenstelligen Sanierungs-Investitionen besonders um den alten Kasten. Mit kohlhof-verklärten Augen sahen sie blühende Geschäfte inmitten einer blühenden Waldlandschaft.

Das "Künstler-Konzept" entwirft als Hauptfinanzierungssäule  sogenannte "Artist in Residence". Dabei ist nicht nur an Künstler, sondern auch an junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gedacht. Die Idee ist, dass Stiftungen aus der ganzen Welt jungen, begabten oder irgendwie sonst besonders förderungswürdig erscheinenden jungen Leute einen Studienaufenthalt auf dem Kohlhof in Heidelberg maximal ein halbes Jahr lang finanzieren. Auch an Jugendprogramme, an ein Café und einen Biergarten als Finanzierungsstütze ist gedacht. Im dem großen Keller soll es Werkstätten geben.

Genau in dem großen Keller als Seminarraum sah das Gesundheits- und Bildungskonzept das große Potential der Villa Braunbehrens. Finanzierungsbasis dieses Konzepts ist ein vielfältiges Ausbildungs- und Seminar-Angebot, das einen breiten Strauß von Konzentrations-,  Gesundheits- und Kreativtechniken anbietet, wobei nur wissenschaftlich fundierte Techniken zu tragen kommen sollen. In diesem Seminar-Angebot sollte auch das Start-Up "Integraler Yoga" aufgehen, dass bereits heute ein Netzwerk von über 40 Yogalehrern & Dozenten unterhält und bislang rund 1000 zahlende Teilnehmerinnen  und Teilnehmer durch seine Kurse geschleust hat. Auch dieses Gesundheits- und Bildungskonzept sieht ein Café vor, das vom "Verein zur Wiederbelebung des Kohlhofs" allerdings als Non-Profit-Unternehmen betrieben werden sollte. Dieser Verein wollte auch für alle Heidelbergerinnen und Heidelberger, insbesondere auch für die Vereine, offene Freizeitangebote und Gestaltungsmöglichkeiten auf dem Gelände anbieten. Der Verein sollte das bürgerschaftliche Leben in und rund um die Villa organisieren; daneben sollte eine Genossenschaft die gewerblichen Bildungsaktivitäten finanziell steuern.

Was den Gemeinderat uns insbesondere die en bloque agierenden GRÜNEN in einer nicht öffentlichen Sitzung für das finanziell auf tönernen Füßen stehende Künstler-Konzept hat abstimmen lassen, bleibt unklar. Vielleicht hat die frühere Nähe des Gesundheits- und Bildungskonzepts zu der in der Nachbarschaft angesiedelten und umstrittenen sogenannten Akademie für Ganzheitsmedizin den Ausschlag gegeben oder eine mehr oder weniger parteiliche RNZ-Berichterstattung. Da half es auch wenig, dass inzwischen die SRH-Hochschule für die wissenschaftliche Beratung des Bildungskonzepts ins Boot gekommen war. Die GRÜNEN hatten sich festgelegt und wollten oder konnten aufgrund von vielleicht gemachten Zusagen nicht mehr von ihrer ursprünglichen Position herunter. Dass sich die stärkste Fraktion im Stadtrat das Gesundheits- und Bildungskonzept noch nicht mal hat erläutern lassen, hat vielleicht auch eine Rolle gespielt.

Wie dem auch sei, 18:17 Stimmen für das Künstlerkonzept ist auch eine Aussage, zumal das wenig abgesicherte Finanzierungskonzept in der Gemeinderatsdebatte dem Vernehmen nach stark thematisiert wurde. Immerhin hat dem Gesundheits- und Bildungskonzept somit nur eine Stimme gefehlt. Die Künstler werden es schwer haben, falls sie irgendwann bei der Stadt auf der Matte stehen und Geld haben wollen, weil die Stiftungen doch nicht so spendabel sind, wie erhofft. Und ob eine gewinnorientierte  Gastronomie dann am Ende die Dinge gerade rücken kann, erscheint auch fraglich. Das Café des „Vereins zur Wiederbelebung des Kohlhofs“ – gerne auch mit Biergarten im Sommer und Punsch im Winter wie früher bei Ehmanns, geführt als Non-Profit-Unternehmen mit vielen Ehrenamtlichen Kohlhof-Liebhabern aus der ganzen Stadt als Helfern, erntet da mehr Sympathie-Punkte.

Apropos Sympathie: Als die Initiatoren des Künstler-Projekts durch eine klare Beschlusslage im Hauptausschuss glaubten, die Villa schon sicher im Sack zu haben, kündigten Sie bereits begonnen Kooperationsgespräche mit den Initiatoren des Gesundheits- und Bildungsprojekts auf. Kräfte zu bündeln, war da nicht mehr ihr Interesse. Bei einem derartigen Riesen-Projekt hinterlässt derartige Arroganz  schon ein „G´schmäkle“. Und es verwundert, dass die GRÜNEN einer breit aufgestellten, kritischen Haltung quer durch alle Parteispektren einfach so keine Beachtung schenken. Derlei, „Augen zu und durch, wir haben die Macht“ passt eigentlich nicht zu dieser Partei, zumindest nicht zu den GRÜNEN, die in Heidelberg mal angefangen haben, Politik mitzugestalten. Das erinnert eher an Zeiten, die mit dem Namen Zundel verbunden sind, auch wenn wir wissen, dass auch er – subjektiv – stets zum Wohle der Stadt handeln wollte.


S.a.: Stadt HD: Villa Braunbehrens wird Künstlerresidenz und bekommt ein öffentliches Café 8.5.2020
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09.05.2020 - 11:45