FOKUSS, AsylAK u.a.: Offener Brief an Gemeinderat: Standort Ankunftszentrum/Masterplan PHV
23.3.2020 Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren im Heidelberger Gemeinderat, erstaunt erfahren wir aus der Presse, dass der Heidelberger Gemeinderat am 26.3. 2020 routinemäßig seine monatliche Sitzung stattfinden lässt, um einige Entscheidungen zu treffen. Darunter fallen auch weitreichende politische Entscheidungen, die in der Heidelberger Bürger*innenschaft umstritten sind.
Wir sind irritiert und befremdet darüber, weil wegen der umfassenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens im Rahmen des Infektionschutzes die öffentlich demokratische Teilhabe und Kontrolle an der politischen Debatte auf nicht absehbare Zeit gar nicht mehr gewährleistet werden kann.
Vor allem die Frage, wohin das „Ankunftszentrum für Flüchtlinge“ kommen soll ist in der Heidelberger Bürger*innenschaft umstritten. Es zeichnet sich eine gemeinderätliche Mehrheit für die Bebauung der hochwertigen landwirtschaftlichen Fläche „Wolfsgärten“ ab. Wir wissen, dass es Überlegungen politisch aktiver Bürger*innen gibt, einen solchen Bürgerentscheid gegen die erwartbare Verlegung des Ankunftszentrums in die „Wolfsgärten“ anzustrengen.
Das Ankunftszentrum sollte aus vielerlei Gründen in PHV bleiben. Durch eine Verlagerung innerhalb des PHV wäre die weitere Entwicklung dieses Gebiets nicht behindert. Angesichts der klimapolitischen Vorgaben, z.B. des Klimaaktionsplanes ist zudem ein weiterer Verbrauch landwirtschaftlicher Flächen falsch und politisch nicht vermittelbar. Wir bestreiten nicht das grundsätzliche Recht des Heidelberger Gemeinderats mit seinem politischen Mandat eine solche umstrittene Entscheidung treffen zu dürfen. Daneben gibt es aber auch das gesetzlich verbriefte Recht für stimmberechtigte Bürger*innen der Stadt Heidelberg (siehe Gemeindeordnung Baden-Württemberg § 21), gegen Mehrheitsentscheidungen des Gemeinderats ein Bürgerbegehren zu initiieren mit dem Ziel, einen Bürgerentscheid zu beantragen. Bedingt durch das stark eingeschränkte öffentliche Leben ist es aber derzeit nicht möglich, die notwendigen Schritte zur Einleitung eines Bürgerentscheids fristgerecht zu leisten. Weder sind Versammlungen erlaubt noch Infostände. Auch das Sammeln von Unterschriften für einen Bürgerentscheid wäre derzeit keine besonders gute Idee.
Wir appellieren deshalb an den Heidelberger Gemeinderat, diese strittige Entscheidung aufzuschieben, bis wieder ein normales gesellschaftliches Leben möglich ist und die öffentliche, politische Diskussionskultur unbehindert durch Infektionsrisiken stattfinden kann. Eine lebendige Demokratie lebt von diesem Diskurs. Der Ort der Demokratie ist die öffentliche Sphäre mit Zugang für alle ohne Einschränkungen. Zurzeit gibt es aber diesen öffentlichen Raum nicht. Der Anspruch der Bürger*innen auf Mitwirkung, Information und Einflussnahme bei der politischen Willensbildung ist zu gewährleisten.
Auch bei anderen strittigen politischen Entscheidungen sollte ein Moratorium beschlossen werden, bis wieder der öffentliche Diskurs ungehindert möglich ist.
Wir appellieren besonders an die Grüne Partei, bzw. die Grüne Gemeinderatsfraktion, das direkte politische Mitwirkungsrecht der Bürger*innenschaft in Gestalt eines Bürgerbegehrens zu respektieren. Beantragen Sie bitte die Vertagung des Tagesordnungspunkts 10 und geben Sie der direkten Demokratie auch in besonders schwierigen Zeiten eine Chance.
Dieser Wunsch trifft genauso auf weitere politisch strittige Fragen zu, wie z.B. auf die geplante räumliche Erweiterung von PHV. 18 ha Ackerfläche auf Kirchheimer Gemarkung, westlich von PHV gelegen, sollen bebaut werden. Dagegen stimmte mehrheitlich der Bezirksbeirat Kirchheim. Der gemeinderätliche Konversionsausschuss ignorierte jedoch lt. RNZ vom 20.03.2020 diesen Beschluss und stimmte mit deutlicher Mehrheit der Bebauung zu.
Wir erwarten ihre alsbaldige Stellungnahme.
Mit freundlichen Grüßen
Vera Glitscher, Klaus Thiery und Wolfgang Gallfuß für das „Forum Klima und soziale Stadtentwicklung Neue Mitte Heideberg /FOKUSS HD“
Mia Lindemann, Vorsitzende des „Asylarbeitskreis Heidelberg“