Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg: Schlossgarten Schwetzingen – Klimanotstand ausgerufen

Steigende Temperaturen und immer weniger Niederschläge: Der Klimawandel zeitigt inzwischen auch in den Schlossgärten dramatische Folgen. Die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg beobachten vor allem im berühmten Schlossgarten Schwetzingen tiefgehende Schädigungen.
[bild: Schlösser und Gärten - andrea rachele]

Michael Hörrmann, der Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, kündigt an: „Wir sind jetzt gezwungen, für den Schlossgarten den Klimanotstand auszurufen.  Das Kunstwerk Schlossgarten Schwetzingen ist massiv bedroht. Bisherige Maßnahmen reichen nicht mehr aus."
 

"Das einzigartige Kunstwerk, der Schlossgarten der kurpfälzischen Sommerresidenz Schwetzingen, ist in seiner Substanz bedroht. Die Partien des Landschaftsgartens sind gefährdet: Das fragile System droht zu kippen“, so fasst der international renommierte Gartendenkmalpfleger Prof. Dr. Hartmut Troll die Situation zusammen. Er ist mit seinem Team bei den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg zuständig für die bedeutenden historischen Gärten, die in der Obhut des Landes stehen. Allein beim Altbestand der Rotbuchen, die mit einem Alter von 100 bis 200 Jahren die charakteristischen Bäume im Landschaftsgarten sind, hat man bei etwa 50 % so starke Schäden festgestellt, dass sie nicht mehr oder nicht mehr vollständig austreiben. Damit geht der ursprüngliche und typische Baumbestand im kurfürstlichen Garten, wie er von Friedrich von Sckell am Ende des 18. Jahrhunderts angelegt wurde, verloren.

Wassermangel setzt pflanzen unter stress
Die Gründe dafür reichen weit zurück und die Grundlage ist historisch: Durch die Rheinregulierung des 19. Jahrhunderts senkte sich der Grundwasserspiegel um sechs Meter gegenüber der Zeit, als der Schlossgarten entstand. Der Landschaftsgarten, angelegt auf einem Ausläufer der „Mannheimer Düne“, steht auf Sand. Auf dem Sandboden aber sind die Bäume, eine Folge des abgesenkten Grundwassers, fast ausschließlich auf das Oberflächenwasser angewiesen. Mit den zurückgehenden Niederschlägen der letzten Jahre geraten sie so sehr unter Stress, dass gesunde Bäume ganze Äste abwerfen. Nach und nach sterben die alten Bäume ab.

Neue Massnahmen zur Lösung
Bei den Staatlichen Schlösser und Gärten setzt man längst auf ein ganzes Bündel von Maßnahmen. Etwa auf die Naturverjüngung: Sämlinge der Altbestand-Bäume werden in Schwetzingen in einer eigenen Baumschule gezogen – ein Langzeitversuch, Setzlinge zu erhalten, die von Anfang an an das trockene Klima gewöhnt sind. Die Spezialisten prüfen, ob man innerhalb der Art wechseln kann: auf Bäume, die dem bisherigen Bestand ähnlich sind, aber eher im wärmeren und trockenen Südosteuropa wachsen. So soll künftig möglicherweise der Eichenbestand von Stieleichen auf Flaumeichen umgestellt werden, die im Mittelmeerraum zuhause sind.

Ersatz vom südlichen Rand der Vegetationszonen
Andere Arten haben keine Alternativen: Die Rotbuche, Fagus Silvatica, bietet keine Verwandtschaft aus einer trockeneren Klimazone. Hier werden Exemplare aus trockeneren Gegenden nach Schwetzingen geholt, die schon länger den Umgang mit Wassermangel kennen – Bäume, die aktuell an der geographischen Trockenheitsgrenze der Art wachsen. Prof. Dr. Hartmut Troll: „Wir gehen bei der Suche nach geeigneten Ersatzpflanzen in die Regionen, deren Klima der jetzt kommenden Situation entspricht“.

Deutschlandweit Zusammenarbeit
Um Antworten in der aktuellen Situation zu finden, werden viele Möglichkeiten überprüft. „Wir gehen verschiedene Wege, um die anstehenden Probleme zu lösen“, sagt Hartmut Troll. Schon länger stellt man in den Landschaftsgärten die Grünflächen um: Aus Rasenflächen, die ständig gewässert werden müssen, entstehen Wiesen, die ein- bis zweimal im Jahr gemäht werden und unbewässert bleiben. Das neue Erscheinungsbild entspricht den Erkenntnissen der Gartendenkmalpflege – und es passt gut zu den Bedingungen des Klimawandels. Bei der Suche nach Lösungen arbeiten die Staatlichen Schlösser und Gärten mit den führenden Institutionen zusammen, etwa mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und den anderen großen Gartendirektionen, etwa der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Entwickelt werden soll etwa für die nächste Zukunft ein Frühwarnsystem für Baumstress.

Aufwand für Erhaltung wird steigen
„Und wir müssen uns anders aufstellen, was unsere Möglichkeiten angeht“, erläutert Hartmut Troll. Bisher war es beispielsweise nicht nötig, dass die Staatlichen Schlösser und Gärten Baumschulen betrieben. „Wir müssen jetzt vor Ort Bäume heranziehen, die mit dem lokalen Klima zurecht kommen“. Der Aufwand ist beträchtlich – aber wenn ein einzigartiges Gartenkunstwerk wie der Schwetzinger Schlossgarten auch für künftige Generationen erhalten werden soll, gibt es keine Auswege.

 

Gärten werden sorgfältig überwacht
Wie erst kürzlich gemeldet, wurden in der letzten Zeit vermehrt Fälle beobachten, in denen die gestressten Bäume begannen, auch gesunde Äste abzuwerfen. Aktuell erheben die Fachleute den Schadensbestand in allen Gärten und Parks, vom Norden des Landes bis an den Bodensee und von den Gartenanlagen im Osten des Landes, etwa in Weikersheim, bis zu den Anlagen am Oberrhein, etwa dem Schlossgarten Bruchsal oder dem Schlosspark Favorite Rastatt. Ziel ist es zuerst, schnell und gezielt agieren zu können: Wo müssen Wege und Zugänge gesperrt werden, um die Sicherheit der Besucherinnen und Besucher zu gewährleisten? Auch wenn bereits klar ist, dass die unterschiedlichen geologischen Situationen zu sehr unterschiedlichen Schädigungszuständen führen – überall sind die Hitze- und Trockenheitsschäden an Bäumen zu beobachten.

www.schloesser-und-gaerten.de

28.07.2019 - 14:45