Bunte Linke: von Portheim-Stiftung: 100 Jahre und kein bisschen langweilig

Die Bunte Linke überbringt Glückwunsche zum 100-jährigen Jubiläum! Die Stiftung von Victor und Leontine Goldschmidt verdient es gefeiert zu werden!
Ging der Anspruch der Gründer weit über ethnologische Fragen hinaus, steht heute vor allem das Heidelberger Völkerkundemuseum im Mittelpunkt des Jubiläums.

Es grenzt an ein Wunder, dass die Stiftung den 100sten Geburtstag überhaupt erreicht hat. Zu verdanken hat sie ihr Überleben vor allem der jetzigen Leiterin und dem ehemaligen Leiter des Museums sowie deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und der jahrzehntelangen zupackenden und finanziellen Unterstützung durch den Freundeskreis. An dieser Stelle auch unseren Glückwunsch zum 40-jährigen Geburtstag des Freundeskreises, der mit der Schlossbeleuchtung in würdigem Rahmen am Samstag gefeiert wurde.

Lange Jahre wurde das Museum von der Stadt nur sehr geringfügig gefördert mit 7.300 € im Jahr. Auch Landes- und Bundesförderung gab es nicht systematisch und für einen geordneten Museumsbetrieb völlig unzureichend. „Eine Schande!“ meint Roswitha Claus, Bezirksbeirätin der Bunten Linken und Gründungsmitglied des Freundeskreises. Immer wieder habe das Haus mit sehenswerten Veranstaltungen, Ausstellungen und Forschungskontakten in alle Welt gezeigt, dass das Völkerkundemuseum den widrigen Rahmenbedingungen zum Trotz seinen Bildungsauftrag erfülle.

2017 brachte eine kleine Wende. Stadtrat Arnulf Weiler-Lorentz berichtet: „Mit intensiver Beteiligung der Bunten Linken ist es gelungen, den Fokus auch des Heidelberger Gemeinderates auf das Völkerkundemuseum und die von-Portheim-Stiftung zu lenken. Der reguläre städtische Zuschuss beträgt jetzt immerhin 200.000 €.“ Stadträtin Hilde Stolz ergänzt: „Wenn es jetzt noch gelingt, dass Land und Bund sich ebenfalls in die Pflicht nehmen lassen, dann sieht die Zukunft nicht mehr ganz so düster aus. In jedem Fall gilt es, den völkerkundlichen Fundus zu erhalten, zu erforschen und der Öffentlichkeit besser zugänglich zu machen. Kein Völkerkundemuseum kann sich selbst finanzieren.“ Das Kuratoriumsmitglied Wissenschaftsministerin Theresia Bauer hat das bei der Eröffnungsveranstaltung zur aktuellen Ausstellung schon mal versprochen.  

 


Erläuternde Informationen:
Der Kristallograph Victor Goldschmidt und seine Frau Leontine haben in Heidelberg viel mehr bewirkt als nur die Gründung eines Völkerkundemuseum. Als vielseitig interessierter, begeisterter und kenntnisreicher Sammler mit einem breiten Sammlungsansatz (Sammlungsgrammatik) hat Victor Goldschmidt entsprechend seiner interdisziplinären Forschungsgebiete ein großes Ziel: den Brückenschlag zwischen Natur- und Geisteswissenschaften. Und so wurde 1919 „zum Zwecke der Förderung von Wissenschaft und Kunst“ die Josephine und Eduard von Portheim-Stiftung gegründet. Das kinderlose Ehepaar Goldschmidt brachte praktisch sein gesamtes, sehr umfangreiches Vermögen dort ein. Die Aktivitäten waren breit gefächert: Gründung und Betrieb von mindestens zwölf naturwissenschaftlichen und geisteswissenschaftlichen Uni-Instituten, Erwerb und Betrieb von vielen historischen Gebäuden und (damals teilweise noch unbebauten) Grundstücken in den besten Lagen Heidelbergs, umfangreiche weltweite Forschungsreisen und dabei Erwerb zahlreicher völkerkundlicher, künstlerischer und naturwissenschaftlicher Gegenstände. Heute lagern davon noch ca. 40.000 in den Magazinen des Völkerkundemuseums.

Doch die Zeit war den Goldschmidt nicht gewogen: Unter den Nazis werden Stiftung und Uni-Institute geplündert, Arisierung war das Ziel. Das Stiftungsvermögen wird im Grunde eingezogen und die Zielsetzungen und Arbeitsgebiete unter nationalsozialistischen Gesichtspunkten neu definiert.

Nach dem Krieg schrumpft das Stiftungsvermögen weiter, das Völkerkundemuseum wird von Politik und Stadtgesellschaft sehr stiefmütterlich behandelt. Die vom Ehepaar Goldschmidt erworbenen und auf die Stiftung übertragenen Villen und größeren Anwesen (u.a. Sophienstr. 3, Gaisbergstr. 9, Hauptstr. 48, Palais Weimar, Haus Riese) sind heute großenteils nicht mehr im Stiftungsbesitz. Das verbliebene Stiftungsvermögen kann inzwischen das Völkerkundemuseum nicht mehr finanzieren. Öffentliche Förderung ist praktisch nicht vorhanden, über viele Jahre gibt die Stadt Heidelberg nur 7.300 € dazu, das sind etwa 5 Cent je Einwohner und Jahr. Zum Vergleich: Die Stadt Köln finanziert das dortige ethnologische Rautenstrauch-Joest-Museum mit etwa 11 € je Einwohner und Jahr, das Kurpfälzische Museum erhält etwa 25 € je Einwohner und Jahr.

Kein Völkerkundemuseum bundesweit finanziert sich selbst. Laut Süddeutscher Zeitung vom Dienstag (SZ 09.07.2019) leiden viele ethnologische Museen in Deutschland unter katastrophalen Zuständen. Wie auch in Heidelberg sind laut SZ 09.97.2017 vielerorts die Bestände völlig unzureichend gelagert, nicht vollständig katalogisiert und damit auch nur unzureichend wissenschaftlich und für die Öffentlichkeit nutzbar. Es fehlt an Personal und angemessenen Ausstellungs- und Lagerräumen überall. Da steht Heidelberg also nicht allein.

17.07.2019 - 11:00