Landesnaturschutzverband B-W: „Bodenschutz immer wichtiger“

so fasst das Umweltministerium Baden-Württemberg in seinem Monitoringbericht 2020 zur Anpassungsstrategie an den Klimawandel in Baden-Württemberg in seiner zusammenfassenden Bewertung das Handlungsfeld Boden zusammen. Bei den Maßnahmen wird zwar die vermehrte Ausweisung von Bodenschutzflächen gefordert, dann aber gleich darauf hingewiesen, dass von der Möglichkeit der Ausweisung gegenwärtig kein Gebrauch gemacht wird.

Heißt das jetzt, dass das Brett zu dick ist, um es zu bohren?

Neben der Ausweisung von Bodenschutzflächen fordert die Anpassungsstrategie für das Handlungsfeld Boden die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme und eine stärkere Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit von Böden bei Planungsverfahren. Intakte Böden erfüllen vielfältige Aufgaben für den Naturhaushalt und können Schäden durch Wetterextreme wie Starkregen oder Hochwasser abmildern. Sie beeinflussen über die Verdunstung der Vegetation wesentlich das lokale und das regionale Klima. Die Funktionsfähigkeit der Böden ist sowohl durch die Auswirkungen des Klimawandels als auch durch die intensive menschliche Nutzung beeinträchtigt. Um die Klimaschutzfunktion der Böden beibehalten zu können, muss eine möglichst große unversiegelte und intakte Bodenfläche bewahrt werden. Ganz besonders gilt dies für Moorböden mit ihrer Funktion als CO2-Speicher.
 
Reduzierung der Flächeninanspruchnahme

Eine flächeneffiziente Siedlungsentwicklung trägt dazu bei, eine Flächeninanspruchnahme im Außenbereich zu reduzieren. Bei einer Zielgröße von drei Hektar liegt der tägliche Flächenverbrauch derzeit im Land bei etwa fünf Hektar. Das muss weniger werden! Gegenstand von Förderprogrammen des Landes sind innovative Vorhaben, die in besonderem Maße den Zielen einer flächeneffizienten Innenentwicklung oder auch der Durchgrünung und ökologischen Aufwertung des Siedlungsbereichs Rechnung tragen. Die Dringlichkeit hierfür ist hoch.

Stärkere Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit von Böden bei Planungsverfahren

Bei der Flächeninanspruchnahme von Böden für Siedlung und Verkehr sollen deren Qualität und natürliche Funktionen mit dem Ziel, leistungsfähige Böden als natürliche Lebensgrundlage zu schützen und zu erhalten, angemessen berücksichtigt werden. Mit den seit Langem etablierten Methoden der Flurbilanz und der Bewertung der Bodenfunktionen (natürliche Bodenfruchtbarkeit, Ausgleichskörper im Wasserkreislauf, Filter und Puffer für Schadstoffe, Sonderstandort für naturnahe Vegetation) stehen geeignete Planungsinstrumente zur Verfügung, um Eingriffe auf weniger leistungsfähige Böden lenken zu können. Es geht insbesondere darum, in Planungs- und Zulassungsverfahren geeignete fachliche Grundlagen des Schutzguts Boden und seiner Funktionen zu berücksichtigen. Durch diese Maßnahme wird gleichsam die natürliche und unentbehrliche Lebensgrundlage für Pflanzen, Tiere und Menschen geschützt. Allerdings handelt es sich auch hierbei lediglich um unverbindliche Empfehlungen.

Der Schutz des Bodens hat keine Lobby und keine Rechtsverbindlichkeit in der Raumplanung

Die Flurbilanz für Baden-Württemberg stellt die zentrale Datengrundlage zur Beurteilung der Betroffenheit landwirtschaftlicher Belange und der regionalen Erzeugung von Lebensmitteln dar. Sie ist wesentlicher Bestandteil und Grundlage der Stellungnahmen der Landwirtschaftsverwaltung als Träger öffentlicher Belange. So wird in Planungsvorhaben zwar darauf hingewiesen, dass es sich um ein „Vorbehaltsgebiet für Landwirtschaft“ handelt und dort der Erhaltung der besonders geeigneten land- wirtschaftlichen Bodenflächen bei der Abwägung ein besonderes Gewicht beizumessen ist. Anders wäre es, wenn diese besonders hochwertigen Böden als „Vorranggebiet für Landwirtschaft“ im Regionalplan festgelegt würden. Dann wären sie eine verbindliche Vorgabe und andere raumbedeutsame Nutzungen wären ausgeschlossen.

Im Klartext heißt dies: Die Flächen selbst mit den besten Agrarböden sind lediglich als „Vorbehaltsgebiet“ festgelegt und können so gegenüber konkurrierenden raumbedeutsamen Nutzungen „wegabgewogen“ werden. Damit muss Schluss sein! Die besten Agrarflächen dürfen nicht länger ein leicht zu überwindendes „Abwägungskriterium“ bei Umwidmungen sein. Vielmehr müssen sie zu einem Ausschlusskriterium entwickelt werden, um Umwid- mungen ausschließen zu können. Diese Flächen müssen als „Bodenschutzflächen“ oder als „Vorranggebiete für Landwirtschaft“ ausgewiesen werden können.

Auch die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung hilft hier nicht weiter – ganz im Gegenteil. So weist die Ökokonto-Verordnung des Landes Baden-Württemberg aus dem Jahr 2010 zum Ausgleich von unvermeidbaren Beeinträchtigungen bei Eingriffen in Natur und Landschaft dem Boden eine höchstmögliche Wertstufe von lediglich 4 Ökopunkten je Quadratmeter zu (zum Vergleich: Gras-weg 6, Apollofal- ter-Biotop 20, Fetthennen-Biotop 20). Das gilt auch für die besten Agrarböden wie die ertragreichen Lössböden in den Gäulandschaften. Auch die Evaluation der Ökokonto-Verordnung wurde nicht für eine Stärkung des Bodenschutzes genutzt. Die längst überfällige Forderung, die Ökopunktewerte für das Schutzgut Boden signifikant zu heben, fand wenig Anklang. Eine Novellierung der Ökokonto- Verordnung hat bis heute nicht stattgefunden! Übrigens: Das Kuratorium „Boden des Jahres“ hat den Lössboden zum Boden des Jahres 2021 gekürt!

Die Flurbilanz – das verbindliche Instrument der agrarstrukturellen Planungspraxis

Bereits im Mai 2018 hatte die SPD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg nach der „Anwendung des Bodenschutzgesetzes und Möglichkeit der Ausweisung von Bodenschutzgebieten gemäß § 7 Landesbodenschutz- und Altlastengesetz (LBodSchAG)“ gefragt (Drucksache 16/4153). In seiner Antwort vom 19.06.2018 führt das Umweltministerium aus, dass von der Ermächtigung des § 7 des Landesbodenschutz- und Altlastengesetzes (LBodSchAG) bislang kein Gebrauch gemacht wurde. Und zur Flurbilanz prüfe das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz die Aufnahme einer Regelung zum Schutz landwirtschaftlicher Flächen in das Landwirtschafts- und Landeskulturgesetz (LLG). In diesem Zusammenhang werde auch geprüft, inwieweit die Flurbilanz zu einem verbindlichen Instrument der agrarstrukturellen Planungspraxis verwaltungsrechtlich weiterentwickelt werden kann.

Heute fragen wir: Wann bitte ist diese Prüfung abgeschlossen?

Es ist unstrittig, dass, je nach regionalen Gegebenheiten, Bedarf auch für die Ausweisung zusätzlicher Flächen als Bauland besteht, um mehr Wohnraum zu schaffen. Allerdings müssen hierfür die Vorgaben und vielfältigen Chancen qualifizierter Innenentwicklung und höherer Wohndichten stärker genutzt werden. Bei Ausweisung neuer Flächen kommt es immer wieder zu Abwägungsfragen, insbesondere wenn landwirtschaftliche Flächen für eine Bebauung in Frage kämen. Eine klare Abgrenzung schutzwürdiger Böden mit beispielsweise hochwertigen Agrarböden könnte zugleich die Bebauung weniger hochwertiger Böden erleichtern und den Abwä- gungsprozess beschleunigen. Denn in der Flurbilanz ist hierzu unmissverständlich formuliert: Die Vorrangflur Stufe I umfasst überwiegend landbauwürdige Flächen (gute bis sehr gute Böden), die für den ökonomischen Landbau und die Ernährungs- und Energiesicherung unverzichtbar und deshalb der landwirtschaftlichen Nutzung unbedingt vorzubehalten sind. „Umwidmungen, zum Beispiel als Bauland, Verkehrsflächen, naturschutzrechtliche Ausgleichsflächen und anderes mehr, müssen ausgeschlossen bleiben.“

Um die Erkenntnis, dass Bodenschutz immer wichtiger ist, in die Praxis umzusetzen, fordern wir die Landesregierung auf,
1. die Flächeninanspruchnahme zu reduzieren,
2. die Leistungsfähigkeit von Böden bei Planungsverfahren stärker zu berücksichtigen,
3. zum Ausgleich von unvermeidbaren Beeinträchtigungen in Natur und Landschaft dem Boden einen deutlich höheren Wert zu geben und bei einer Novellierung der Ökokonto-Verordnung die Ökopunktewerte für das Schutzgut Boden signifikant zu heben,
4. eine Regelung zum Schutz der besten Agrarböden in das Landwirtschafts- und Landeskulturgesetz aufzunehmen und
5. die Flurbilanz zu einem verbindlichen Instrument der agrarstrukturellen Planungspraxis verwaltungsrechtlich weiterzuentwickeln.

Beschlossen vom LNV-Vorstand am 07.07.2021

Stuttgart, 21.07.2021
gez. Prof. Dr. Willfried Nobel
LNV-Referent für Flächen- und Bodenschutz
Tel.: 0711 – 24 89 55-20
E-Mail: info@lnv-bw.de

P.S. Für Hinweise und Verbesserungsvorschläge ist die LNV-Geschäftsstelle stets dankbar.

www.lnv-bw.de

 

10.08.2021 - 17:30