Mieterverein HD: Brief an die Mitglieder des Gemeinderates zum wohnungsbaupolitischen Konzept der Konversionsfläche "Hospital"
Sehr geehrte Mitglieder des Gemeinderates der Stadt Heidelberg,
Zum heutigen TOP Hospital am 24.7.2018 möchten wir Ihnen zu bedenken geben:
Das bisherige Wohnzielgruppenkonzept Hospital hat noch keinen endgültigen Charakter. Auch wenn es im Gemeinderat heute zu einer Zustimmung der derzeitigen Anlage 1 zur entsprechenden Drucksache kommt, ist noch lange nicht geklärt, wie viele Wohnungen auf dem Hospital entstehen. Das Bebauungsplanverfahren eröffnet die Möglichkeit von Änderungen insbesondere auf Anregungen aus der Bürgerschaft hin.
Auch könnte ein Bürgerantrag den Gemeinderat veranlassen, das Mengengerüst im Hospital weiter zu diskutieren. Auch wäre möglich, den Punkt heute zu vertagen und Änderungen im Mengengerüst zu veranlassen. Dazu ist es notwendig sich die Entstehung des bisherigen Hospital-Konzepts und alle wohnungspolitischen Aspekte des Projektes „Hospital“ näher anzusehen.
1.
Ohne Gemeinderatsbeschluss hat die Verwaltungsspitze vor längerer Zeit die Auffassung vertreten, dass das 9 ha große Konversionsgebiet Hospital in Rohrbach von privaten Immobilienträgern erschlossen werden soll. Später erst wurde dann die GGH zu diesem Projekt hinzugenommen, da klar wurde, dass die privaten Immobilienträger im Bereich der geförderten, preisgedämpften, bezahlbaren oder preisgünstigen Wohnungen alleine gar nicht tätig werden können und wollen.
2.
Angesichts der Gesamtproblematik der Wohnungsfrage in Heidelberg muss jedes weitere Projekt in einer Gesamtschau bewertet werden, ob es genügend und was für Wohnungen für welche Einkommensgruppen leisten kann. Nachdem Heidelberg in den letzten 5 Jahren 3.700 teure Wohnungen hinzugebekommen hat, kann es nicht sein, dass angesichts eines Bedarfes von 13.000 und mehr Wohnungen in den nächsten Jahren bei den nächsten großen Bauprojekten vom positiven Weg der in der Südstadt eingeschlagen wurde, abgewichen wird. In der Südstadt sind 70% der entstehenden Wohnungen für mittlere und untere Einkommen vorgesehen.
Wie diese Projekte finanziert werden, darf nicht verwechselt werden mit der Frage, für wen sie gebaut werden. Das ständige Durcheinanderwerfen der Begriffe geförderte Wohnungen und Wohnungen für mittlere Einkommen, wie es die Verwaltungsspitze praktiziert, verwirrt sowohl im Gemeinderat als auch in der Bevölkerung nicht nur die Begriffe.
Es ist gar nicht hinlänglich bekannt, dass über die Hälfte der Bevölkerung sich auf Wunsch einen Wohnberechtigungsschein holen kann, der dem Landeswohnraumförderungsgesetz zum Bezug einer vom Land geförderten Wohnung berechtigt. Dies darf nicht subtil mit dem Uraltbegriff „Sozialwohnung“ gleichgesetzt werden und damit Ängste geweckt werden anstatt Chancen zu skizzieren.
3.
Bei dem Wohnzielgruppenkonzept kann man entweder wie in Mark-Twain prozentuale Anteile für Zielmieten festlegen oder wie im Hospital prozentuale Anteile orientiert an einem 30%-Anteil des Einkommens für mittlere und untere Einkommen definieren. Selbstverständlich gehören auch immer Eigentumswohnungen für mittlere und untere Einkommen zu den konzeptionellen Vorgaben.
Es ist politisch notwendig, dass in Zukunft die finanzstarken Selbstversorger nicht auf den Neubauflächen und in den neuen Projekten so zum Zuge kommen, wie das bisher geschehen ist. Einkommensgruppen im höheren Bereich können sich in Heidelberg immer selbst versorgen. Dafür ist auf dem ständig fluktuierenden Wohnungsmarkt immer die Möglichkeit. Insbesondere im Bereich des Neubauviertels Bahnstadt wurde diese Tatsache lediglich durch ein städtisches Wohngeld mit einem erheblichen Finanzaufwand kaschiert.
Es ist deshalb erforderlich, die Vorgabe, in einem weiteren Wohngebiet im Hospital 50% „allgemeiner Wohnungsmarkt-Marktpreise“ vorzugeben, zu hinterfragen.
Es konkurriert der Anteil im Mark-Twain von 30% freier Markt mit 50% freier Markt im Hospital. Was ist die bessere Zielformulierung für eine zukünftige sinnvolle Bewohnerstruktur.
4.
Der ständige Hinweis auf ein „überdurchschnittliches Vorkommen von alten Sozialwohnungen“ im „Umfeld der Konversionsfläche Hospital“, die den Anteil neuer „geförderter Wohnungen auf dem Hospitalarial maßvoll ausfallen“ lassen soll, ist das argumentative Feigenblatt für die 50% Wohnanteil mit privater Rendite. Im MTV wird die private Rendite der 30% für die Preisstabilisierung der mittleren unteren Einkommen eingesetzt. Inwieweit dies im Hospital passieren soll und kann, ist noch gar nicht geklärt.
5.
Würde man den Wohnungsanteil im Hospital nochmal um ca. 100 Wohnungen erhöhen und dies dem GGH-Anteil zuschlagen, so würde der Anteil allgemeiner Wohnungsmarkt für die privaten Immobilienträger mengenmäßig sogar gleichbleiben und sie nicht in ihrem Geschäft reduzieren. Es ist also durchaus zumutbar, dass die noch gar nicht begonnene Bebauungsbauleitplanung durch die Vorgabe von mind. 100 Wohnungen mehr zum jetzigen Zeitpunkt so geändert wird, dass das Hospital, wenn auch nicht so gut wie MTV, so doch wenigstens in der Frage der urbanen Dichte einigermaßen zum gesamtstädtischen Wohnungsproblem beiträgt.
6.
Diese Dichte beeinträchtigt keinen bisherigen Bewohner in Rohrbach. Es ist auch nicht erkennbar, welchen Nachteil eine solche Erhöhung für den Stadtteil Rohrbach haben sollte. Im Gegenteil, die Zahl der Chancen für Kinder Rohrbacher Familien ihre Bleibe in der Nähe in ihrem Heimatstadtteil zu gestalten, steigt. Eine Meinungsbildung hierüber in Rohrbach beschränkt sich bisher auf wenige Multiplikatoren, die stets glauben, für „die Rohrbacher“ sprechen zu können.
7.
Völlig ungeklärt ist für die öffentliche Diskussion die bisherige Verhandlung mit der BImA. Der Bodenpreis stellt einen erheblichen Faktor dar. Die BImA kann und muss reagieren wenn auf dem Hospitalgelände ein sozial orientiertes Wohnkonzept entsteht. Wenn der soziale Anteil steigt, ist dies für die Preisverhandlung positiv.
8.
Wenn die Stadt Heidelberg für den sozialen Aspekt der Bahnstadt jährlich siebenstellige Summen für ein städtisches Wohngeld ausgeben kann, ist ihr auch zuzumuten, die GGH für eine möglichst lange Bindungsdauer und den möglichst hohen Anteil von Wohnungen im mittleren und unteren Einkommensbereich finanziell auch dann auszustatten, wenn das Projekt „Hospital“ die normale Leistungskraft der GGH übersteigen würde.
9.
Auch wäre endlich einmal zu klären, warum im Wohnzielgruppenkonzept Hospital bisher keine einzige Wohnung für SGB-Empfänger miteingeplant ist. Es wäre ja einleuchtend, wenn diese Wohnungen in einer relativ geringen Zahl in der Gesamtbebauung so integriert werden, dass sie zu einer selbstverständlichen Nachbarschaft führen. Dies ist bei der Betreibung durch einen erfahrenen sozialen Wohnungsträger wie der GGH auch kein Problem. Argumente für das Umfeld entstehen dadurch nicht, da Bewohner von Sozialwohnungen mit SGB-Bescheiden nicht per se Sozialfälle sind. Es entstehen durch eine Verbesserung der sozialen Anteile des Wohnkonzepts in überhaupt keiner Weise irgendwelche problematischen Verdichtungen sozialer Art.
Mit freundlichen Grüßen
Christoph Nestor
[Hervorhebungen durch die Redaktion]