„Die Krippe am Fluss“ in der Heidelberger Jesuitenkirche

12.12.2017  rc   Diese ungewöhnliche Krippe existiert schon seit dem Jahr 2000 und hat seither regelmäßig die Aufmerksamkeit der hiesigen Tagespresse auf sich gezogen. Wir können jährlich einen kleinen Aufmacher mit Foto in der RNZ dazu finden. Was ist daran so anders und was ist das Besondere daran? Kunstvoll gestaltete Figuren voller Ausdruckskraft aus einfachen Materialien, hergestellt großenteils von Insassen der Justizvollzugsanstalt, dem Arbeitskreis Citypastoral und einzelnen Künstlern.

Natürlich ist dort die Heilige Familie mit den drei Weisen aus dem Morgenland vertreten. Darüber hinaus eine ganze Reihe anderer Gestalten, die man hier nicht vermuten würde:

Menschen aus dem Alten und Neuen Testament geben sich ein Stelldichein,  wie  z.B. Adam und Eva, die am Anfang der Liebesgeschichte stehen, Moses mit den zehn Geboten, Abraham, der Prophet Micha  mit seinem Fernrohr, Noah vor seiner Arche und den Tieren und Johannes der Täufer, die Ankunft Christi verkündend.

Verantwortliche aus Kirche und Politik dürfen nicht fehlen, wie z.B. Martin Luther, mit dem Aufruf, einmal wieder die Kirche zu retten, Papst Franziskus, der sich den roten Schuhen verweigert, das Triumvirat bestehend aus dem Palästinenserchef Abbas, dem israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu und dem deutschen Michel mit zugeklebtem Mund (warum wohl?), Nelson Mandela aus Südafrika u.a.m. machen die Besucher neugierig.

Eine bunte Gemengelage bildet der Protest der Straße mit Aufrufen gegen Stuttgart 21, Banken in die Schranken zu verweisen, Braune Sümpfe trockenzulegen, Amnesty für Snowden! Wohin mit dem Atommüll? und nicht zuletzt: Mach's wie Gott werde Mensch! löst lebhafte Diskussionen bei den Betrachtern aus.

Eine bunte Szenerie bilden Kranke, Blinde, von Aids gezeichnete Menschen, Oskar das krebskranke Kind, eine Straßenszene mit Prostituierten. Wer genau hinsieht, findet den Banker mit seinen gierigen Fratzen und dazwischen Frère Roger aus Taizé als guten Hirten.  Der Narr als Weisheitslehrer vor dem Circus IngerRatz (welcher Name wurde da wohl verdreht?) darf nicht fehlen.

Seiltänzer und Breakdancer beschenken die Menschen mit ihrem Können, dazwischen die Flüchtlinge mit dem Apell um Aufnahme. Das Angsttier kriecht vor ihnen her. Die deutsche Fußballnationalmannschaft mit Jogi Löw sorgt für einen gewissen Ausgleich.

Mutter Theresa findet man bei den ertrinkenden Flüchtlingen. Und am Ende darf auch Unmut nicht fehlen. Der ärgert sich über die Krippe.

All dies wird jährlich umgestaltet, ergänzt mit neuen Figuren und aktuellen Aufregern.

Die Krippe ist angesiedelt zwischen den Häusern und Straßen der Altstadt. Die heilige Familie lebt einmal unter der Neckarbrücke, dann wieder wird sie in die Mülltonne versetzt und atmet giftige Abgase ein.

„Die Brücke ist Symbol für den kommenden Gott und Auftrag an die Menschen, sich aufzumachen und ggf. Hindernisse zu überwinden“, so Pastoralreferent Hermann Bunse, der die Idee zu dieser  Krippe hatte.

Die Justizvollzugsanstalt mit Insassen und dem schließenden Beamten darf auch  nicht fehlen. Der Verkündungsengel schwebt darüber und verkündet ausgerechnet an dieser Stelle die frohe Botschaft. Er schreit: „Fürchtet Euch nicht!“

Hier wird die reale Gesellschaft abgebildet mit allem was dazu gehört. Es wird gefeiert, gelitten, getanzt, protestiert und gegen alles Mögliche demonstriert. Es ist eine politische Krippe. Sie fordert heraus und provoziert Unmut in konservativen Kreisen mit Attacken gegen die Krippenbauer. Das ausgelegte Gästebuch spiegelt all dies wieder, Zustimmung und Ablehnung in vielen Sprachen.

Eine solche Krippe ist einmalig. Sie findet nicht nur deutschlandweit großen Zuspruch. Die Gäste kommen von überall her und es werden jedes Jahr mehr. Für diese Saison erwartet man mehr als 30.000 Besucher in der Zeit zwischen dem 1. Adventssonntag  bis zum 2. Februar.

Der schön bebilderte Katalog mit aufschlussreichen Informationen ist für € 7 an der Krippe zu erwerben. Der Erlös wird dem Kinderhospital  Betlehem gespendet.

 

Besuchen Sie diese „Krippe am Fluss“ in der Jesuitenkirche, es lohnt sich! 

Öffnungszeiten täglich von 10 bis 18 Uhr.

 

Roswitha Claus

Heidelberg, im Dezember 2017

12.12.2017 - 23:15