Klimawandel und Konsequenzen für die Stadtentwicklung in Bergheim
29.10.2017 hd "Die Folgen des Klimawandels stellen Städte vor große Herausforderungen, da die Auswirkungen ein Risiko für Bewohner, die Infrastruktur, die Wirtschaft sowie Flora und Fauna darstellen. Ziel einer kommunalen Anpassungsstrategie muss es sein, die Folgen der Klimaänderungen in der Stadt zu minimieren,
um die Lebensqualität und ein nachhaltiges Wirtschaften aufrecht zu erhalten." (Positionspapier zur Angassung an den Klimawandel, Umweltausschuss Hess. Städtetag, 2012)
Hitzebelastung
Steigende Temperaturen führen zu steigenden Gesundheitsrisiken, da die Hitze Menschen stark belasten kann. Von besonderer gesundheitlicher Bedeutung sind zudem Phasen anhaltender Hitzebelastung, in denen heiße Tage in Kombination mit Tropennächten über einen längeren Zeitraum auftreten können. Diese Phasen werden umgangssprachlich Hitzewellen genannt, sie sind gesundheitlich äußerst problematisch, da Menschen nicht nur tagsüber extremer Hitze ausgesetzt sind, sondern der Körper auch in den Nachtstunden durch hohe Lufttemperatur belastet ist und sich wegen der fehlenden Nachtabkühlung nicht erholen kann. In hochsommerlichen Hitzeperioden führt das Stadtklima zu einer besonderen Belastung und zum Teil gesundheitlichen Beeinträchtigungen für die Bewohner. Verantwortlich sind in erster Linie die dichte Bebauung, der hohe Versiegelungsgrad, ein geringerer Vegetationsbestand sowie eine höhere Zahl von Emissionsquellen wie z.B. Automotoren.
Für die Stadtbewohner ist es umso wichtiger, kühle Aufenthaltsorte in erreichbarer Nähe zu haben, z.B. Parks mit großem Baumbestand, größere Wasserflächen oder ein nahegelegener Wald. Eine verantwortungsbewusste Stadtplanung muss bei der Entwicklung und Umstrukturierung von Städten Grünbestände generell schützen, Freiflächen wie z.B. Parks erhalten und zusätzliche herstellen, Straßenbäume pflanzen und in Bebauungsplänen für private Grundstücke Grünflächen und Bäume einfordern.
Sicherung und Stärkung von Kalt- und Frischluftsystemen
"Zentrales Thema der Städte ist daher die Sicherung und Stärkung von Kalt- und Frischluftsystemen, die Minderung des Wärmeinseleffekts sowie die Anpassung der Infrastruktur"( UA, Hess. Städtetag, 2012).
Auch der Deutsche Städtetag fordert in seinem Positionspapier Maßnahmen der Städte für den Klimaschutz. U.a. wird gefordert
- Im gesamten Stadtgebiet sollten die zur Belüftung der Innenstadt relevanten Kaltluftschneisen ermittelt, erhalten und in ihrer Funktionsfähigkeit entwickelt und verbessert werden.
- Bei der Beachtung der lokalen Klimaverhältnisse (Kalt- und Frischluftsysteme) sollten auch deren regionalen Verknüpfungen berücksichtigt werden, da die Einzugsgebiete dieser
Luftsysteme zumeist weit über das Stadtgebiet hinausreichen
Wie ist die bioklimatische Situation in Heidelberg?
Im Klimagutachten von 2015 steht:
"Das Stadtgebiet von Heidelberg befindet sich im klimaökologischen Belastungsgebiet Ballungsraum Rhein-Neckar“. Und weiter: " In Relation zum Gebietsmittel zeigen die am Rand der Rheinebene gelegen Stadtteile Heidelbergs eine, im Vergleich zum Gebietsmittel, überdurchschnittlich hohe bioklimatischen Belastung. “ (Quelle: Stadtklimagutachten für die Stadt Heidelberg, 2015)
Der Raum Heidelberg zeichnet sich insgesamt aus durch
- eine hohe Wärmebelastung im Sommerhalbjahr (ca. 31% der Tage im Zeitraum April bis September erreichen Tageshöchsttemperaturen von über 25°C. Ungefähr 8% der Tage im Sommer können als „heiß“ bezeichnet werden (Tageshöchsttemperaturen von über 30°C),
- eine allgemein niedrige mittlere Windgeschwindigkeiten mit hoher Anzahl schwachwindiger Wetterlagen
- eine große Inversionshäufigkeit.
Die bioklimatische Situation im Stadtteil Bergheim
Bioklimatisch ungünstige Wirkungsräume (d. s. bioklimatisch belastete Siedlungsräume) sind vor allem in Bergheim, in der Bahnstadt, in Pfaffengrund und der Weststadt zu finden, da es hier nur eine geringe Grünausstattung gibt. Die höchsten Temperaturen treten mit bis zu 18,9 °C im dicht bebauten und zum Teil stark versiegelten Stadtteil Bergheim auf. Eine ungünstige bioklimatische Situation eines Stadtteils wie Bergheim mit dichter Bebauung, hohem Versiegelungsgrad und einem geringeren Vegetationsbestand bedarf eines besonderen Augenmerks der Verantwortlichen im Stadtrat und in der Verwaltung.
Im Klimagutachten von 2015 hat man den Stadtteil Bergheim in 4 Wirkungsräume unterteilt und die bioklimatische Situation untersucht.
Bergheim – Wirkungsraum 1
Aus: Klimagutachten 2015 (rot = ungünstig, braun = weniger günstig, hellbraun = günstig, weiß = sehr günstig)
Dieser Stadtteil ist geprägt durch eine stark verdichtete Siedlungsstruktur mit hohem Versiegelungsgrad und sehr geringer Grünausstattung. Entsprechend dem hohen Versiegelungsgrad ist die bioklimatische Situation ungünstig, u.a. weil es an angrenzenden Ausgleichräumen (Kaltluft produzierende, unbebaute und vegetationsgeprägte Flächen) und Grünstrukturen fehlt. In der Folge überwärmt sich dieser Raum und führt zu einer Belastung der dort lebenden Menschen. Während im gesamten Stadtgebiet ein Mittelwert von 14,5 °C vorherrscht, beträgt die Temperatur in diesem Bereich einen hohen Wert von 18°C. Die bioklimatische Situation für die etwa 2100 Bewohner ist daher größtenteils als ungünstig einzustufen, obwohl der Neckartalabwind, der erwärmte Luftmassen aus dem Altstadtbereich über die Bergheimer Straße und die Kurfürsten-Anlage heranführt, was seine abkühlende Wirkung deutlich abschwächt, einen gewissen Ventilationseffekt hat. Denn dadurch werden lang anhaltende Wärmestaus und erhöhte Luftschadstoffkonzentrationen abgemildert.
Empfehlungen des Gutachtens
Dieser Raum hat keine Anbindung an einen ausreichend großen und wirksamen Ausgleichsraum. Es sind Maßnahmen nötig wie z.B. Entsiegelungen, Erhöhung des Grünvolumens; Straßenbegleitgrün, Verschattung und Schaffung von Wasserflächen. Die wenigen vorhandenen Grünflächen haben als Klimaoasen eine sehr hohe bioklimatische Bedeutung für die Bewohner. Sie sollten unbedingt erhalten und optimiert und ausgedehnt werden.
Bergheim – Wirkungsraum 2
Aus: Klimagutachten 2015 (rot = ungünstig, braun = weniger günstig, hellbraun = günstig, weiß = sehr günstig)
Der Wirkungsraum 2 liegt im Nordwesten von Bergheim und weist eine weniger günstige bioklimatische Situation auf, was vor allem durch die unmittelbar in der Nähe gelegenen verdichteten Stadtteile zu erklären ist. Dieser Wirkungsraum liegt im unmittelbaren Einflussbereich des Neckartälers, der diesen Bereich völlig durchströmt. Davon profitiert nicht nur dieser Wirkungsraum, sondern die vorhandene Bebauungsstruktur ermöglicht ein Vordringen der Kaltluft in Richtung Westen bzw. Südwesten, so dass auch die angrenzenden Stadtteile profitieren. Die noch vorhandenen Grün- und Freiflächen dieses Wirkungsraums haben eine sehr hohe klimatische Bedeutung.
Empfehlungen des Gutachtens
Da die Kaltluft des Neckartälers das Gebiet durchströmt und so ein Vordringen der Frischluft in die umliegenden Gebiete ermöglicht, sollte keine weitere Verdichtung in diesem Wirkungsraum erfolgen. Die Durchströmbarkeit des Wirkungsraumes muß erhalten bleiben.
Bergheim – Wirkungsraum 3
Aus: Klimagutachten 2015 (rot = ungünstig, braun = weniger günstig, hellbraun = günstig, weiß = sehr günstig)
Der Wirkungsraum 3 liegt im Norden des Stadtteils unmittelbar am Neckar. Die bioklimatische Situation wird als weniger günstig bis ungünstig beschrieben, was auf die kompakten vorhandenen Strukturen zurückzuführen ist. Da der Neckartäler über die Grünflächen in den Wirkungsraum eindringen kann, profitiert er von der Kaltluftströmung. Die mittlere Nachttemperatur liegt hier bei 17,2 °C.
Aus: Klimagutachten 2015
Empfehlungen des Gutachtens
Die Grün- und Freiflächen weisen eine sehr hohe bioklimatische Bedeutung auf. Die am Neckar gelegenen Grünflächen sollten weiter erhalten bleiben, um das Eindringen der Kaltluft zu gewährleisten. Im Hinblick auf die anliegenden Siedlungsgebiete sollte bei einer baulichen Verdichtung unbedingt darauf geachtet werden, dass die Durchströmbarkeit nicht weiter reduziert wird. Auch sollten weitere Maßnahmen wie Entsiegeln und Begrünen von Innenhöfen, Schaffung von Straßenbegleitgrün erfolgen.
Ausgleichsraum 2 (Großer Ochsenkopf)
Aus: Klimagutachten 2015 (rot = ungünstig, braun = weniger günstig, hellbraun = günstig, weiß = sehr günstig)
Der Wirkungsraum 3 muss bioklimatisch unbedingt zusammen mit dem Ausgleichsraum 2 betrachtet werden. Beim Ausgleichsraum 2 handelt es sich um das Gebiet des Großen Ochsenkopf, einer Grünfläche mit Baumbestand, Buschgruppen und Grasbewuchs. Das Klimagutachten sagt: „Der Ausgleichsraum bildet im Verbund mit Be-W3 ein wichtiges Bindeglied für den Kaltluftstrom des Neckartälers, der sich hier nach Westen auffächert und Be-A2 als ,Trittstein‘ in Richtung Westsüdwesten nutzen kann. Von hier gehen die bodennahen Belüftungseffekte weiter in Richtung Wieblingen / Pfaffengrund und tragen zu einer bioklimatischen Entlastung der dort liegenden Siedlungsgebiete bei.“
Empfehlungen des Gutachtens
Ausgleichsraum 2 sollte wegen seiner Funktion als Ventilationsfläche in Zukunft erhalten bleiben.
Bergheim – Wirkungsraum 4
Aus: Klimagutachten 2015 (rot = ungünstig, braun = weniger günstig, hellbraun = günstig, weiß = sehr günstig)
Der Wirkungsraum liegt etwa zwischen dem Bismarckplatz im Osten und der Römerstraße im Westen. Die dichte Bebauung wird nur an wenigen Stellen von Grünflächen durchbrochen. Durch die stark frequentierten Verkehrsachsen ist die Luftschadstoffbelastung sehr hoch. Der Kurfürstenpark an der Stadtbücherei bildet eine klimatisch wichtige Klimaoase.
Obwohl dieses Gebiet dicht bebaut ist, ist die bioklimatische Situation etwas besser, da der Neckartalabwind stärkere Ventilationseffekte bewirken kann. Die bioklimatische Situation kann größtenteils als weniger günstig bezeichnet werden, in Teilen aber auch als ungünstig. Die mittlere Nachttemperatur ist mit 17,5°C relativ hoch. Die wenigen Grün- und Freiflächen haben eine sehr hohe bioklimatische Bedeutung.
Aus: Klimagutachten 2015
Empfehlungen des Gutachtens
Dieser Wirkungsraum 4 profitiert vom Neckartalabwind, der das Gebiet durchströmt. Aus diesem Grund sollten die wenigen Frei- und Grünflächen unbedingt erhalten und nach Möglichkeit optimiert und ausgeweitet werden. Zusätzliche Maßnahmen wie Entsiegelungen und Erhöhung des Grünvolumens werden empfohlen. Von einer weiteren Nachverdichtung sollte abgesehen werden.
Luftqualität in Heidelberg-Bergheim
Die Luftqualität ist laut den Marketingaussagen der Stadt im Vergleich mit anderen Städten gut. Mit welchen Städten Heidelberg verglichen wird, wird leider nicht gesagt. Stimmt diese Aussage und gilt die Aussage für alle Stadtteile? Es kommen erhebliche Zweifel auf, wenn man die stark verkehrsbelasteten Straßen in Bergheim betrachtet.
Schaut man sich die Ergebnisse der Untersuchungen an, die von der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz herausgegeben wurden, stehen diese Ergebnisse jedenfalls im Widerspruch zu den offiziellen Aussagen.
Das Umweltbundesamt hat an der Mittermaierstraße, eine Straße, die wie viele andere Straßen in Heidelberg-Bergheim stark befahren ist, Spotmessungen durchführen lassen. Das Ergebnis war eine klare Überschreitung der Jahresgrenzwerte für Stickstoffdioxid von 40 µg/m³. Die Überschreitung der Grenzwerte findet bereits seit mehreren Jahren statt wie man der Tabelle weiter unten entnehmen kann. Die Werte sind alarmierend und weit entfernt von „guter Heidelberger Luftqualität“. Im Gegenteil sind diese Zahlen ein Indiz dafür, dass die Gesundheit der Menschen hier und womöglich an anderer Stelle in Heidelberg gefährdet ist.
Dies dürfte an anderen viel befahrenen Straßen in Heidelberg nicht anders sein und sollte dringend untersucht werden. Umso unverständlicher sind hierzu die Aussagen („die gute Heidelberger Luft“) auf den Internetseiten der Stadt Heidelberg.
Quelle: Landesanstalt für Umwelt , S. 78)
Fazit für Bergheim:
Bei allen untersuchten Wirkungsräumen in Bergheim kann folgendes festgehalten werden:
- Es herrscht eine dichte Bebauung mit kompakten Strukturen und hohem Versiegelungsgrad vor.
- Die bioklimatische Situation ist weniger günstig bis ungünstig.
- Es gibt wenige Grünflächen, eine geringe Grünausstattung und ein geringer Vegetationsbestand.
- Die mittleren Nachttemperaturen in den Sommermonaten liegen mit 17,2 – 18 °C deutlich über dem Wert von 14,5 °C für das Stadtgebiet von Heidelberg.
- Die wenigen noch vorhandenen Grünflächen haben eine hohe bioklimatische Bedeutung
- Die Luftqualität an stark befahrenen Straßen wie die Mittermaierstrasse ist schlecht, da hier z.B. die erlaubten Jahresgrenzwerte für Stickstoffdioxid von 40 µg/m³ überschritten werden.
Folgenden Empfehlungen (Planungshinweise) des Klimagutachtens gelten für alle Wirkungsräume:
- sehr hohe klimatische Bedeutung der Grünflächen als Klimaoasen, die unbedingt erhalten, optimiert und ausgedehnt werden sollten
- Grün- und Freiflächen sollten weiter erhalten bleiben, um das Eindringen der Kaltluft des Neckartälers zu gewährleisten.
- Es ist unbedingt darauf zu achten, die Durchströmbarkeit der Wirkungsräume nicht weiter zu reduzieren.
- keine weitere Nachverdichtung dort, wo der Neckartäler Frischluft in die umliegenden Gebiete transportiert
- weitere Maßnahmen wie Entsiegeln, Erhöhung von Grünvolumen, Begrünen von Innenhöfen, Schaffung von Straßenbegleitgrün, Verschattung
- Anbindung an einen ausreichend großen und wirksamen Ausgleichsraum erhalten.
Autor: Heinz Delvos 27.10.2017
Vollständiges Gutachten mit Anhängen