IG Fußverkehr: Gehwegparken - Stadt hat kein wirksames Konzept
22.9.2017 Stellungnahme zur Informationsvorlage des Oberbürgermeisters
• Gehwege sind Verkehrsflächen für Fußgänger, Kinder mit Fahrrad oder Roller, Menschen mit Rollstuhl, Rollator oder Kinderwagen. Gehwege sind auch Aufenthalts- und Spielflächen und ihr Zustand beeinflusst stark die allgemeine Lebensqualität.
• Gehwege sind keine Parkplätze für PKW.
[Bild: UPI / Informationsvorlage im Anhang]
• Die Stadt möchte gegen zugeparkte Gehwege vorgehen, hat derzeit aber einerseits keinen Gesamtüberblick und kommt andererseits personell momentan nicht gegen Falschparker an.
• Anwohner brauchen eine Planungsgrundlage für die mittelfristig zu erwartende Parksituation in ihrem Quartier und mehr Alternativen zum PKW.
Die IG Fußverkehr fordert daher:
1. Eine Gesamtanalyse aller Gehwege der Stadt in Bezug auf legales und illegales Beparken durch PKW. Dies nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit von Kindern, sondern auch unter dem der Nutzbarkeit und der Aufenthaltsqualität, also insgesamt der urbanen Lebensqualität.
2. Aufstockung der Planungskapazitäten zur mittelfristige (5 Jahre) Beseitigung von Gehwegparken an allen Orten mit Restgehwegbreiten unter 2,50m.
3. Gesamtkonzepte für alle Quartiere der Stadt mit größeren Bereichen legal und illegal beparkter Gehwege in Bezug auf die Anzahl mittelfristig zur Verfügung stehender PKWParkplätze, als verlässliche Planungsgrundlage für Anwohner.
4. Massives Aufstocken des Gemeindevollzugsdienstes und flächendeckende regelmäßige Sanktionierung von illegalem Gehwegparken in allen Stadtteilen, inkl. Abschleppen von PKW bei Behinderung oder Gefährdung von Verkehrsteilnehmern.
5. Schaffen und Aufzeigen von Alternativen jenseits des eigenen PKW inkl. Förderung von mehr Car-Sharing, Radachsen, dichteren ÖPNV-Taktzeiten auch am Wocheneende, die dazu führen, dass die gefühlte oder tatsächliche Unverzichtbarkeit des eigenen PKW für mehr und mehr Einwohner wegfällt.
Gehwege sind die einzigen Verkehrsflächen für Fußgänger, radfahrende, rollerfahrende oder rollschuhfahrende Kinder, Rollstühle, Kinderwagen und Rollatoren und eine Spiel- und Aufenthaltsfläche für spielende Kinder. Das Parken von KfZ auf Gehwegen ist entsprechend per StVO generell verboten, außer wenn ausdrücklich erlaubt.
In Heidelberg wird seit mindestens 20 Jahren das Parken auf vielen Gehwegen durch die Stadt entweder erlaubt oder illegales Beparken toleriert. Dadurch ist die Nutzbarkeit der Gehwege für alle oben genannten Gruppen eingeschränkt, häufig behindert und teilweise gefährdet. In jedem Fall findet eine massive und dauerhafte Einschränkung des öffentlichen Lebensraums statt, die Menschen werden zurückgedrängt, Kinderspiel und -bewegung zum Beispiel wird mehr und mehr auf Spielplätze und andere "Reservate" verbannt und Schulwege als zu gefährlich eingeschätzt, mit entsprechendem Elterntaxiverkehr.
Die Stadt geht die bestehenden Einschränkungen und Gefährdungen nur sehr punktuell an, trotz anderslautender Bekenntnis seitens des OB und des Amts für Verkehrsmanagement, Gehwegparken kritisch unter die Lupe zu nehmen und auf Dauer zu beseitigen. Der größte Teil der Stadtteile wird weiter nach dem Motto gesehen, dass der "Parkdruck" zu groß sei und eine maximal mögliche Anzahl von Parkplätzen für PKW nötig machen würde. Diesem Argument folgend müsste die Stadtverwaltung Parkraum für eine beliebig große Anzahl von PKW bereitstellen bzw. schaffen, bzw. illegale Parkplätze tolerieren, denn "wo sollen die Autos denn hin?" Es ist durch das
Grundgesetz jedeR berechtigt ein (oder mehr) PKW zu erwerben. Es gibt aber kein Grund- oder anderes Recht, diesen PKW dann im Schnitt für 23 Stunden am Tag im öffentlichen Raum abzustellen. Schon gar nicht zu Lasten anderer Verkehrsteilnehmer oder der allgemeinen Lebensqualität.
Die Informationsvorlage 0148/2017/IV zeigt jetzt auf, dass die Stadt derzeit zwar eine nachhaltige Verbesserung dieser Situation angekündigt hat, sie aber bisher keine hinreichenden Ressourcen dazu zur Verfügung stellt:
1. Es gibt bislang keine flächendeckende Bestandsaufnahme des legalen und illegalen Gehwegparkens im gesamten Stadtgebiet.
2. Es gibt keinen Plan, welche Maßnahmen für ganze Quartiere notwendig sind.
3. Daraus folgend gibt es keine verlässliche Planungsgrundlage auch für AnwohnerInnen, was die Anzahl von vorhandenen Parkplätzen in Quartieren in der Zukunft angeht.
4. Es gibt keine Planungsinformationen für oder Aktivitäten in Quartieren, um momentanen PKW-BesitzerInnen Alternativen zum Dritt-, Zweit- oder Erstwagen anzubieten, wie die Verbesserung von ÖPNV-Verbindungen, Car-Sharing oder Radstrecken.
5. Es gibt keine hinreichenden Mitarbeiter zur Überwachung des ruhenden Verkehrs.
Einige Konsequenzen daraus sind:
• Eine echte Besserung für eingeschränkte Gehwege ist nicht in Sicht. Mit dem momentanen Ansatz („Kindersicherheit“) werden zentrale Aspekte (generelle Nutzbarkeit, Aufenthalts- und Lebensqualität) nicht beachtet.
• Die Stadt ist mit der momentanen Personaldecke im Bereich der Analyse von Parksituationen nicht in der Lage, nennenswerte Mengen an Straßen überhaupt zu untersuchen, geschweige denn, Vorschläge für Änderungen zu machen. Momentan werden diese Straßen von PraktikanInnen untersucht, was nicht einmal dazu ausreicht, alle Straßen
anzuschauen, die von den Kinderbeauftragten gemeldet wurden. Mit der momentanen Geschwindigkeit würde es 50 Jahre dauern, alle Heidelberger Straßen zu untersuchen.
• Die Stadt ist mit der momentanen Personaldecke im Bereich Gemeindevollzugsdienst (GVD, verantwortlich für Überwachung des ruhenden Verkehrs) nicht in der Lage, Falschparken flächendeckend zu ahnden. Zusammen mit klaren Weisungen, welche Situationen Behinderungen des Fußgängerverkehrs darstellen und einem Willen, dann PKW
auch konsequent abzuschleppen, ändert sich an den meisten Straßen derzeit nichts, nicht nachhaltig, oder nur sehr punktuell.
• Anwohner haben keine Planungssicherheit für die Parksituation in mittel- und langfristiger Sicht. Entsprechend gibt es keine Planungsgrundlage für den Kauf oder Nicht-Kauf eines nächsten PKW bzw. keinen Anreiz, Alternativen zum PKW zu erkunden.
Diese Situation ist unhaltbar. Die IG Fußverkehr fordert daher:
1. Eine Gesamtanalyse aller Gehwege der Stadt in Bezug auf legales und illegales Beparken durch PKW. Dies nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit von Kindern, sondern auch unter dem der Nutzbarkeit und der Aufenthaltsqualität, also insgesamt der urbanen Lebensqualität.
2. Aufstockung der Planungskapazitäten zur mittelfristige (5 Jahre) Beseitigung von Gehwegparken an allen Orten mit Restgehwegbreiten unter 2,50m.
3. Gesamtkonzepte für alle Quartiere der Stadt mit größeren Bereichen legal und illegal beparkter Gehwege in Bezug auf die Anzahl mittelfristig zur Verfügung stehender PKW-Parkplätze, als verlässliche Planungsgrundlage für Anwohner.
4. Massives Aufstocken des GVD und flächendeckende regelmäßige Sanktionierung vonillegalem Gehwegparken in allen Stadtteilen, inkl. Abschleppen von PKW bei Behinderung oder Gefährdung von Verkehrsteilnehmern.
5. Schaffen und Aufzeigen von Alternativen in der Wahl von Verkehrsmitteln jenseits des eigenen PKW inkl. Förderung von mehr Car-Sharing, Radachsen, dichteren ÖPNV-Taktzeiten auch am Wocheneende, die dazu führen, dass die gefühlte oder tatsächliche Unverzichtbarkeit des eigenen PKW für mehr und mehr Einwohner wegfällt.
Die Interessensgemeinschaft (IG) Fußverkehr Heidelberg ist ein informeller Zusammenschluss von verschiedenen Multiplikatoren und Gruppen in Heidelberg. In der IG sind u.a. vertreten:
Verkehrsclub Deutschland
Beirat von Menschen mit Behinderungen
Kinderbeauftragte der Heidelberger Stadtteile
Fuß e.V.
Fahrgastbeirat des VRN
Interessengemeinschaft für Verkehrssicherheit in Heidelberg
Zusammen mit Vertretern der Stadtverwaltung bildet die IG Fußverkehr die städtische Arbeitsgemeinschaft Fußverkehr, die beratend bei Planungen zum Fußgängerverkehr in Heidelberg tätig ist.