Modernisierung/Renovierung der Stadthalle - Stellungnahmen

awl 5.3.2018 
Kritische Stellungnahmen von Besuchern und Freunden

Dr. Karin Werner-Jensen (Verein Alt-Heidelberg), Gerd Guntermann (Altstadt-Bezirksbeirat, GAL), Stefan Schöbel (Buchhändler, Altstadt), Philine Bujard (Bürger für Heidelberg), Doris Hemmler (Bürgerinitiative Leben in der Altstadt)

 


 

Dr. Karin Werner-Jensen ( Verein Alt-Heidelberg ):
Die Sanierung der Stadthalle ist dringend geboten. Den Spendern gebührt Dank und höchste Anerkennung für Ihre Unterstützung, auch dem großen Mäzen, Herrn Marguerre. Dies steht außer Frage. Auch die großen Spender beim Theater haben nie Einfluss auf die wichtigen Entscheidungen durchgedrückt.
Aber warum wird nur der von Wächter und Wächter vorgeschlagene Entwurf diskutiert?  Ist er wirklich die einzige und beste Lösung? Der jetzige kastenförmige Saal soll völlig auf den Kopf gestellt, das Orchester in der tiefer gelegten Saalmitte und das Publikum ansteigend drum herum angeordnet werden. Diese Planung wirft für den Stadtteilverein der Altstadt, Verein Alt-Heidelberg, viele Fragen auf:
Denkmalschutz. Bei der Stadthalle handelt es sich um ein bestehendes denkmalgeschütztes Gebäude. Alle die, die in Heidelberg jemals ein Fensterchen oder kleinen Balkon in ihre denkmalgeschützten Häuser einbauen wollten und die Macht des Denkmal- und Feuerschutzes zu spüren bekommen haben, reiben sich die Augen, ob der geplanten Eingriffe in denkmalgeschützte Substanz.
Akustik. Die großen bekannten neu gebauten Konzertsäle der Welt (Elbphilharmonie, Berliner Philharmonie, Gewandhaus Leipzig, Kölner Philharmonie) sind von vorn herein von international bekannten (teuersten!) Akustikern geplant worden. Der in der Regel neue Bau musste sich dem Klangelement unterordnen. Auch beim Umbau der Stadthalle muß ein erfahrenes Akustikbüro zugezogen werden.
Wasser. Die unmittelbare Nähe zum Neckar hat mit dazu beigetragen, dass der einstmals geplante Tunnel am Neckar nicht gebaut worden ist. Schon jetzt laufen, laut Architekt Bert Burger, durchgehend mehrere Wasserturbinen im Keller der Stadthalle, um das Gund- und Neckarwasser fernzuhalten.
Sicht. Das Orchesterpodium soll versenkbar tief in die Mitte des Saals verlegt werden, damit das Publikum auch von den Rängen aus gute Sicht hat. Aber wird die besser? Stattdessen wird eine aufwendige Untermaschinerie erforderlich, die weit in den Bereich des Grundwassers reicht. In Köln ist gerade ein am Wasser gebauter neuer Konzertsaal wegen der Probleme mit dem Wasser wieder abgerissen worden.
Kosten. Die Kosten zum Theaterneubau haben sich am Ende gegenüber dem anfänglichen Gemeinderatsbeschluss mehr als verdoppelt. Insofern ist der Verein Alt-Heidelberg mehr als skeptisch, ob sich die zurzeit angenommenen Kosten für eine Sanierung der Stadthalle auch nur einigermaßen halten lassen.
Warum kann die Stadthalle nicht in Maßen und unter Einbeziehung des Philharmonischen Orchesters, des Heidelberger Frühlings und der BürgerInnen dieser Stadt - letztere zahlen schließlich auch mit - angemessen saniert werden?


Gerd Guntermann, Altstadt-Bezirksbeirat (GAL):
Bemerkenswert an der avisierten Stadthallenrenovierung: Der Altstadt-Bezirksbeirat ist dabei bislang nicht gefragt, damit werden für die Anwohner wichtige Aspekte ignoriert: Seit Jahren klagen Nachbarn der Unteren Neckarstraße nach Veranstaltungen über nächtlichen Entladungslärm, der durch den Transport großer Rollcontainer über die Laderampe der Stadthalle in LKWs erfolgt - also über hervorragende Resonanzkörper, die - neben lauten Rufen der Transportarbeiter - das Recht auf Nachtruhe ad absurdum führen. In der Fußgängerzone darf Lieferverkehr nur zwischen 6 und 11 Uhr stattfinden. Das zuständige Amt scheint sich seit Wochen um die Beantwortung meiner Frage herumzudrücken, wie sich das bezüglich der Stadthalle verhält, die nicht im Fußgängerzonenbereich liegt. Hier werden häufig nach 20 Uhr, bisweilen bis nach 4 Uhr (!) Ladearbeiten verrichtet. Herr Schiemer vom Stadtmarketing hat zwar technische Verbesserungen zur Lärmverringerung angedeutet, scheint aber kein Interesse zu haben, die Zeiten der Lieferverkehre denen anderer Stadtbereiche anzupassen. Folge: Wie sich seit Jahren in der Altstadt zeigt (Lärm!), werden auch hier Anwohnergrundrechte (auf nächtlichen Schlaf) geschäftlichen Interessen untergeordnet. Dieser Sachverhalt darf nicht ignoriert werden, wenn der Stadthalle neue Strukturen verpasst werden.
Zudem: Die Altstadtbewohner warten weiter auf ein Bürgerzentrum - auch ein Aspekt, der bei einer Stadthallen-Neustrukturierung nicht unter den Tisch fallen sollte.
Bezüglich der Innenarchitektur: wenn die bisherigen Nutzer, darunter ausgewiesene Akustik-Fachleute, die Beibehaltung der alten architektonischen Strukturen favorisieren, dann wird der Architektenentwurf von W&W absolet - das sollte auch der OB einsehen.


Stefan Schöbel (Buchhändler, Altstadt): 
Den Jugendstilcharakter beibehalten und den Mäzenen nicht ein Denkmal setzen wollen, wie es unser OB wünscht. Sollte die Idee, das Orchester mittig setzen zu wollen, sich durchsetzen, würde Anselm Riedl im Grab weinen.


PhilineBujard (Bürger für Heidelberg):
Meiner Meinung nach sollte das Kulturdenkmal Stadthalle möglichst unversehrt bleiben, wobei bestimmte Optimierungen für die Akustik zu begrüßen wären. Ein professioneller Akustiker sollte die Schwachstellen finden und Lösungsvorschläge machen. Das Prinzip „Schuhschachtel“ ist durch vieljährige Erfahrung bewährt. Den „Weinberg“ sollte man nur realisieren in Neubauten, wo viel Platz eingeplant werden kann. Die Stadthalle ist dafür zu eng.
Optimierungsvorschläge: Den Mittelgang opfern und statt dessen durchgehende Stuhlreihen (wie in vielen Theatern und Opernhäusern) planen. Die äußersten Plätze hinten unter den breiten Balkonen (= dort schlechte Akustik) wegfallen lassen und dort statt dessen dort einen Umgang planen. Die Bühne absenken - evtl. variable Segmente zum Absenken planen. Den Raum unter der (Welterbe-)Orgel öffnen. Die stärksten Instrumente (z.B. Bläser) ganz hinten unter die Orgel platzieren (s. Originalzustand). Die Logen im 2. Rang für Publikum öffnen (s. alte Fotos) - so den Verlust an Sitzplätzen wettmachen.


Doris Hemmler (Bürgerinitiative Leben in der Altstadt):
Wir begrüßen, dass die Belange des Denkmalschutzes nun bei der Überarbeitung des Sanierungskonzeptes berücksichtigt werden und demgemäß auf die Mittelbühne verzichtet sowie ein besonderes Augenmerk auf die Voit-Orgel gelegt wird, die zum UNESCO-Welterbe „Orgelmusik“ gehört. Eine enge Abstimmung zwischen den Anforderungen der Akustik und den Umbauplänen ist erforderlich.
Auf der Homepage der Stadt sind als Stärken der Stadthalle neben „Kultur auf internationalem Niveau“ auch „Nutzungen durch kulturelle Initiativen, Vereine und die Bürgerschaft“ genannt; auch aus diesem Grund ist die Initiative „Leben in der Altstadt“ naturgemäß an der Zukunft der Stadthalle besonders interessiert. Die Stadthalle ist 1903 als Fest- und Versammlungshalle für die Bürgerschaft gebaut worden; im Sinne dieser Tradition wäre es wünschenswert, wenn sich in der neugestalteten Stadthalle auch Räumlichkeiten für ein Bürgerhaus fänden, das die Altstädter seit Jahr und Tag vermissen.

[Bilder: Heidelberg Marketing]

05.03.2018 - 18:15